Über eine halbe Million Hühner, Gänse und Puten mussten wegen der Vogelgrippe gekeult werden. Was das finanziell für die Geflügelbauern bedeutet – und für den Weihnachtseinkauf.
Die Vogelgrippe wütet in Deutschland. Auch am Dienstag wurden neue Fälle gemeldet. Kraniche tragen Seuche auf ihrem Zug aus Skandinavien in den Süden mit sich – und infizieren hier frei gehaltene Hühner, Puten, Gänse und Enten. Auch ein paar Zuchttauben hat es schon erwischt. Vor allem Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Niedersachsen sind betroffen. Bereits mehr als 500.000 Nutztiere mussten gekeult, also getötet und vernichtet werden. Auch der Verlust unter den Wildtieren ist groß: Allein in Brandenburg sind schon mehr als 1500 Kraniche verendet.
Schon seit mehreren Jahren gibt es immer wieder Ansteckungswellen mit der für viele Vögel sehr gefährlichen Grippevarianten. So eine Welle im Oktober ist nicht ungewöhnlich, aber aktuell beachtet das zuständige Friedrich-Loeffler-Institut ein „sehr dynamisches Geschehen“, wie es die Präsidentin Christa Kühn ausdrückt. „Der Vogelzug ist im vollen Gange und der Virusdruck durch infizierte Wildvögel und deren Ausscheidungen sehr hoch.“ Das heißt: Es wird weitere Fälle geben. Wie schlimm es wird, kann aktuell noch niemand sagen.
Die Weihnachtsgans wird teuer – vielleicht
Werden nun also Geflügel und Eier teurer? Hans-Peter Goldnick, Präsident des Geflügelwirtschaftsverbands ZDG, beruhigt. Er glaube vorerst nicht, „dass wir kurzfristige Preisexplosionen haben“. Mechthild Cloppenburg von der Agrarmarkt-Informations-Gesellschaft erwartet dagegen steigende Preise für Saisonstiere, also Enten und Gänse. „Die Kunden werden das spüren.“
Dazu muss man wissen, dass Deutschland zwar mehr Hühnerfleisch aus- als einführt. Ganz anders aber beim Festtagsbraten: Etwa 80 Prozent der hier verzehrten Gänse und jede zweite Ente werden importiert, überwiegend aus Polen und Ungarn. Auch dort wurden aktuell schon Fälle von Vogelgrippe festgestellt.
170 Millionen Nutzvögel als potenzielle Vogelgrippe-Opfer
So oder so: Auch für deutsche Geflügelbauern steht aktuell viel auf dem Spiel. Insgesamt knapp 170 Millionen Hühner, Puten, Gänse und Enten werden in Deutschland gehalten. Ein Großteil davon in Niedersachen, aktuell rund 106 Millionen. Es wird bereits über eine allgemeine Stallpflicht für Geflügel diskutiert. Tatsächlich gibt es in der Regel Ställe, die Vögel sind Fluchttiere, vor allem die Hühner brauchen nachts einen Rückzugsort vor Mardern, Eulen oder anderen Nachtjägern.
Gänse aber zum Beispiel kann man nur schwer über längere Zeit im Stall halten. Sozial niedriger gestellte Tiere kriegen dann zu wenig Futter ab. Doch viel ist schon gewonnen, wenn die Außenzeit verringert wird, und wenn die Nutztiere von Gewässern ferngehalten werden. Denn dort lassen sich Wildenten, Wildgänse und Kraniche nieder – und hinterlassen ihren infektiösen Kot.
Warum 50 Euro pro Vogel nicht genug sind
Wird eine Infektion auf einem Geflügelhof festgestellt, muss oft der gesamte Bestand gekeult werden. Die Kosten für die Beseitigung trägt die Tierseuchenkasse – und auch für das Geflügel wird eine Entschädigung gezahlt, in Höhe des Marktwerts zur Zeit des Befalls. Bislang ist die Entschädigung auf 50 Euro pro Tier gedeckelt, die schwarz-rote Koalition im Bund will den Deckel auf 110 Euro anheben. Das irritiert erst einmal: 110 Euro für eine Weihnachtsgans oder gar für ein Suppenhuhn?
Nun ist die Geflügelhaltung enorm spezialisiert. Zuchtbetriebe züchten sogenannte Großelternvögel. Mit diesen züchten andere Betriebe wiederum die Elternvögel, deren Eier kommen in eine Brüterei, und es schlüpfen die Küken für die eigentlichen Nutztiere. Die landen entweder in den Mastbetrieben oder auf Eierhöfen. Je weiter unten in der Kette, desto geringer der Marktwert der Tiere.
„Eine Legehenne in der zweiten Legeperiode am Ende ihrer Lebenszeit, die ist vielleicht nur noch einen Euro wert“, sagt Ursula Gerdes, Geschäftsführerin der Niedersächsischen Tierseuchenkasse. Eine Pute kurz vor der geplanten Schlachtung könne wegen des hohen Gewichts bereits über 40 Euro wert sein. Noch wertvoller aber seien die Elterntiere: Die für Legehennen und Masthähnchen blieben zwar noch unter den aktuell geltenden 50 Euro, Elterntiere von Gänsen könnten aber durchaus 110 Euro erreichen.
„Seit 2020 gab es Ausbrüche in vielen Gänsehaltungen – auch in Niedersachsen. Und da konnten wir maximal die 50 Euro bezahlen“, erzählt Gerdes. „Und wenn sie dann 2000 Tiere haben als Elterntiere und Ihnen fehlt pro Tier im Schnitt 50 Euro, dann sind das 100.000 Euro. Und das überlebt so ein Betrieb vielleicht einmal, aber nicht ein zweites Mal.“ Die Zahlung erfolgt dabei nicht pauschal. Der Wert der Tiere wird daran gemessen, welchen Gewinn ähnliche Tiere im Betrieb in früheren Jahren erzielt haben – unter Berücksichtigung der aktuellen Preise.
Keine besondere Gefahr für Menschen
Die Vogelgrippe kann im Prinzip auch Menschen infizieren, allerdings nur sehr schwer. Bislang sind nur wenige Fälle dokumentiert, in der Regel bei Menschen, die auf Geflügelfarmen arbeiten. Da die Viruslast von verendeten Vögeln aber sehr hoch sein kann, bleibt ein Restrisiko. Man sollte sich daher von toten Vögeln fernhalten. Die Tierbeseitiger tragen zur Vorsicht Einweg-Schutzanzüge, FFP3-Atemmasken und Einmalhandschuhe.