Bundesverfassungsgericht: Kein Job für Konfessionslose? Karlsruhe prüft Kirchen-Urteil

Darf ein kirchlicher Verein Religion zur Einstellungsbedingung machen? Die Frage ging von Berlin über Erfurt nach Luxemburg und zurück – und schließlich nach Karlsruhe. Worum es in dem Fall geht.

Viele Gerichte haben sich schon mit der Frage befasst, ob kirchliche Arbeitgeber bei Einstellungen eine bestimmte Religionszugehörigkeit von Bewerberinnen und Bewerbern fordern dürfen oder nicht. Vor sieben Jahren legte das Bundesarbeitsgericht dafür zuletzt bestimmte Vorgaben fest und schränkte damit die Freiheit der Kirchen als Arbeitgeber ein. Aber was sagt das Bundesverfassungsgericht dazu?

Am Donnerstag will das höchste Gericht Deutschlands seine Entscheidung zu einer Verfassungsbeschwerde der Diakonie gegen das weitreichende Urteil aus Erfurt veröffentlichen. Der Verband war damals im Oktober 2018 zur Zahlung einer Entschädigung an eine konfessionslose Bewerberin verurteilt worden, weil er sie nicht zum Bewerbungsgespräch eingeladen und sie damit nach Ansicht des Gerichts aus religiösen Gründen benachteiligt hatte.

Konfessionslose Klägerin sah Diskriminierung

Die Sozialpädagogin aus Berlin hatte sich 2012 auf eine von der Diakonie ausgeschriebene Referentenstelle für das Projekt „Parallelberichterstattung zur UN-Antirassismuskonvention“ beworben. Der Verband hatte in der Ausschreibung die Zugehörigkeit zu einer protestantischen Kirche verlangt. Die Frau machte in ihrer Bewerbung keine Angaben zu ihrer Konfession. 

Von 38 Bewerbern wurden vier zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Sie gehörte nicht dazu. Ausgewählt wurde am Ende laut früheren Gerichtsangaben ein Bewerber deutsch-ghanaischer Herkunft, der sich als evangelischer Christ bezeichnete. Die Sozialpädagogin sah sich wegen ihrer Konfessionslosigkeit diskriminiert und klagte sich seit 2013 mit der Forderung auf eine Entschädigung von rund 9.800 Euro durch die Instanzen.

Erfurt hatte Luxemburg angerufen

Am Bundesarbeitsgericht hatte sie im Herbst 2018 dann Erfolg. Die Erfurter Richterinnen und Richter verurteilten die Diakonie zur Entschädigungszahlung. Sie legten in dem Grundsatzurteil fest, dass kirchliche Arbeitgeber nicht pauschal eine Religionszugehörigkeit von Bewerberinnen und Bewerbern verlangen dürfen. Eine solche dürfe bei Einstellungen nur zur Bedingung gemacht werden, wenn das für die konkrete Tätigkeit objektiv geboten sei.

Die höchsten deutschen Arbeitsrichter folgten damit einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg, dem sie den Fall zuvor vorgelegt hatten. Er sollte klären, ob die Praxis der Kirchen, die Konfession zum Einstellungskriterium zu machen, mit der EU-Antidiskriminierungsrichtlinie vereinbar ist, die Arbeitnehmer vor Diskriminierung wegen Religion schützt.

„Wo Kirche draufsteht, muss auch Kirche drin sein“

Wie später auch das Bundesarbeitsgericht waren die Richterinnen und Richter in Luxemburg der Meinung, dass Kirchen zwar eine „mit der Religion oder Weltanschauung zusammenhängende Anforderung“ stellen dürfen. Dies gelte aber nur, wenn diese Bedingung bei der jeweiligen Tätigkeit „eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation“ darstelle.

Vom Bundesverfassungsgericht erhoffen sich die evangelische Kirche und die Diakonie nun, dass es die Konturen der Religionsfreiheit im Grundgesetz klar aufzeigt. „Das Grundgesetz sichert zu, dass Kirche und Diakonie ihr christliches Selbstverständnis selbst ausgestalten dürfen“, erklärte eine Sprecherin der Diakonie. „Menschen, die bei uns Unterstützung suchen, verlassen sich darauf, dass wir aus unserer christlichen Überzeugung heraus arbeiten. Da, wo Kirche und Diakonie draufstehen, müssen auch Kirche und Diakonie drin sein.“

Kirchen sind große Arbeitgeber

Die evangelische Kirche passe ihre Einstellungsvoraussetzungen aber fortlaufend sowohl an gesellschaftliche Entwicklungen als auch die rechtlichen Rahmenbedingungen an, so die Sprecherin. Die generelle Voraussetzung einer evangelischen Kirchenmitgliedschaft sei Anfang 2024 aus der sogenannten Mitarbeitsrichtlinie der Kirche gestrichen worden. Sie sei seitdem nur noch Voraussetzung, wenn sie für die Stelle „erforderlich und wichtig“ sei.

Die Kirchen sind große Arbeitgeber in Deutschland. Die Frage, mit der sich die Gerichte in Berlin, Erfurt, Luxemburg und nun Karlsruhe beschäftigt haben, hat daher für viele Menschen eine große Bedeutung. Die evangelische Kirche hat nach eigenen Angaben rund 240.000 Mitarbeitende, bei der Diakonie arbeiten zudem 687.000 Menschen. Bei der katholischen Kirche sind nach eigenen Angaben rund 180.000 Mitarbeitende in der verfassten Kirche und rund 740.000 Mitarbeitende bei dem Wohlfahrtsverband Caritas angestellt.

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