Exklusiv: Wagenknecht fordert erneut Neuauszählung der Bundestagswahl

Das Bündnis Sahra Wagenknecht verlangt per Anwalt eine sofortige Neuauszählung der Bundestagswahl. Die Partei verweist auf Experten – und eine gekippte Kommunalwahl.

Die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht lässt nicht locker. Mit einem neuen Schriftsatz erhöht sie den Druck auf den Bundestag, um eine rasche Prüfung der Bundestagswahl zu erreichen. „Die hiesigen Einspruchsführer, allen voran das Bündnis Sahra Wagenknecht als Partei, wünschen ausdrücklich eine offene, transparente Neuauszählung mit einem gewissen zeitlichen Vorlauf“, heißt es in dem Schreiben der beauftragten Rechtsanwaltskanzlei an den Wahlprüfungsausschuss. Es liegt dem stern vor. 

Gefordert wird dabei ein „Vorlauf von drei Wochen„. Zudem sollte die Nachzählung an „einigen zentralen Orten pro Wahlkreisgebündelt werden, um dem BSW eine Kontrolle zu ermöglichen. Die Partei hat nur knapp 3000 Mitglieder.

Das BSW hatte bei der Bundestagswahl am 23. Februar den Einzug äußerst knapp verpasst. Der Partei fehlten nur etwa 9500 Stimmen, um über die Fünf-Prozent-Hürde zu gelangen. Seitdem verlangt das BSW eine Neuauszählung. Doch der zuständige Wahlprüfungsausschuss des Bundestages hat bisher noch nicht über die Einsprüche entschieden und dem Bundestag eine Empfehlung unterbreitet. Erst danach kann die Partei gegebenenfalls vor dem Bundesverfassungsgericht klagen.

Sahra Wagenknecht: „Wer nicht nachzählt, handelt undemokratisch“

Die Anwälte betonen im Namen Wagenknechts und des BSW, dass inzwischen mehrere namhafte Staatsrechtler und Politikwissenschaftler die Forderung der Partei unterstützen. Darüber hinaus verweisen sie auf die jüngste Korrektur der Oberbürgermeisterwahl im nordrhein-westfälischen Mülheim an der Ruhr, wo die SPD-Kandidatin vorne lag, eine Neuauszählung aber später den Sieg des CDU-Amtsinhabers feststellte

„In Mülheim wurde neu ausgezählt, obwohl der Rückstand der unterlegenen Bewerberin deutlich größer war als der Stimmenanteil, der dem BSW für einen Bundestagseinzug fehlt“, sagte Wagenknecht dem stern. Was bei einer OB-Wahl möglich sei, müsse erst recht dort gelten, wo es „um die Legitimität der höchsten demokratischen Instanz unseres Landes“ gehe. 

„Ich fordere den Wahlprüfungsausschuss auf, nun endlich zu entscheiden“, erklärte die BSW-Vorsitzende. „Wer nicht nachzählen will, handelt schlicht undemokratisch.“

Der Vorsitzende des Gremiums, der SPD-Abgeordnete Macit Karaahmetoğlu, bestätigte den Eingang des Schriftsatzes. Das Schreiben werde grundsätzlich berücksichtigt, sagte er dem stern. „Allerdings bleibt der Einspruchsgegenstand in tatsächlicher Hinsicht grundsätzlich auf die Sachverhalte beschränkt, die fristgemäß mit der Einlegung des Einspruchs vorgetragen worden sind.“ Das heißt wohl übersetzt: De facto spielen die neuen Argumente keine Rolle.

Ausschusschef nennt keinen Zeitpunkt für eine Entscheidung

Wie lange die Prüfung noch dauert, wollte der Ausschussvorsitzende auf Anfrage nicht mitteilen. „Im aktuellen Verfahrensstadium wird auch geprüft, ob zur Entscheidung über den Einspruch weitere Informationen bzw. Verfahrensschritte erforderlich sind.“ Erst danach würden die mit den Einsprüchen befassten Abgeordneten einen Entscheidungsvorschlag vorlegen. „In Anbetracht dessen bitte ich Sie um Verständnis, dass ich den Beratungen der Berichterstatter und des Ausschusses nicht vorgreifen kann und insofern keinen konkreten Zeitpunkt der Beschlussfassung nennen kann“, teilte Karaahmetoğlu mit.

Auch der Beschluss des Ausschusses ist nur eine Empfehlung. Am Ende muss der gesamte Bundestag über eine Neuauszählung entscheiden. Erst danach stünde der Rechtsweg nach Karlsruhe offen. 

Eine Neuauszählung könnte massive politische Folgen haben. Zöge das BSW in den Bundestag nachträglich ein, verlöre die Koalition von Union und SPD ihre Mehrheit im Bundestag. Und: AfD und BSW verfügten über mehr als ein Viertel der Sitze und könnten gemeinsam Untersuchungsausschüsse einsetzen.

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