Friedrich Merz fühlt sich wohl auf der Weltbühne. Das haben wir jetzt verstanden. Wenn er nun nicht schleunigst wieder in der Innenpolitik auftaucht, wird es unruhig.
Um einen Eindruck davon zu bekommen, mit welchem Tempo Friedrich Merz gerade durch die Außenpolitik marschiert, muss man nur einen Blick auf die vergangenen 24 Stunden werfen. Erst justierte der Kanzler am Montagvormittag das Verhältnis zu Israel neu, indem er der Netanjahu-Regierung eine Ansage machte.
Dann klang er so, als wolle er den Druck auf Russland erhöhen, indem er kundtat, die Ukraine dürfe jetzt westliche Waffen auch auf militärische Ziele im russischen Hinterland richten. Und später flog er nach Finnland, um sich mit den nordischen Staats- und Regierungschefs über Europa auszutauschen, über Trump und Wladimir Putin.
Einmal gipfeln und zurück, Merz kennt das aus seinen ersten Wochen schon.
Wie durchdacht die Manöver des Kanzlers in dieser Woche waren, muss sich erst noch zeigen. Einerseits klang Merz im Vergleich zu seinem Vorgänger wohltuend klar. Andererseits ist völlig offen, was aus seinen Ankündigungen operativ folgt. Erhält Israel jetzt weniger Waffen, die Ukraine dafür mehr?
Merz geht gern zwei Schritte vor, einen zurück
Mag sein, dass Merz wirklich vorhat, den außenpolitischen Kurs Berlins grundlegend zu korrigieren. Dass er aber schon am Mittwoch klarstellte, mit seinen Worten zum Einsatz westlicher Waffen in der Ukraine nur eine seit Monaten geltende Wahrheit beschrieben zu haben, lässt ihn wie jemanden erscheinen, der zwei Schritte vor geht und plötzlich wieder einen zurück. Anders formuliert: Zwischen strategischer Ambiguität und dem Ansatz, einfach mal einen rauszuhauen, verläuft bei Merz zuweilen eine dünne Grenze.
Damit kein Missverständnis entsteht: Dass Merz sich außenpolitisch engagiert, vor allem ein Gespür zur besseren europäischen Abstimmung zeigt, ist zu begrüßen. Sein Vorgänger hat eine gruselige Bilanz hinterlassen. Und dass im Kanzleramt mal wieder jemand sitzt, der Dinge sagt, die hängen bleiben, muss auch nicht schlecht sein. Schön wäre es allerdings, wenn Merz jene Tatkraft, die er auf außenpolitischem Parkett zeigt, nun schnell in die Innenpolitik übersetzen würde.
Denn – mal ganz platt formuliert: Die AfD lässt sich nicht aus dem Ausland bekämpfen. Und ist das nicht die vielleicht zentrale Aufgabe dieser Regierung?
Hat er einen Plan?
Merz ist angetreten als Mann, der zuallererst sein Land umkrempeln will. Wirtschaft hochfahren, Sozialsysteme reformieren, Grenzen dichtmachen, die Bürger motivieren: Das war der Plan. Mit Ausnahme der Asylpolitik sind im Koalitionsvertrag davon nur Restelemente zu erkennen. Vieles von dem, was Schwarz-Rot vorhat, ist vage formuliert, was nicht schön ist, aber Konkretisierungen im Verlauf des Regierens auch nicht ausschließt.
Wenn sich am Mittwoch mit dem Koalitionsausschuss erstmals das Zentrum dieses Bündnisses trifft, muss das die Richtschnur sein. Wie genau will Merz Firmen entlasten? Wie will er Arbeit billiger machen? Wie will er verhindern, dass die Kosten für Gesundheit und Pflege explodieren? Hunderte Milliarden stehen bereit, um in den kommenden Jahren endlich in Straßen und Brücken zu investieren. Hat er einen Plan dafür?
Es ist eine Illusion zu glauben, die AfD ließe sich kleinkriegen, wenn man nur mal wieder halbwegs gut regiert und Gesetze macht, ohne sich darüber zu zerlegen. Menschen wollen auch etwas empfinden, wenn sie sich mit Politikern beschäftigen, das zeigt der Erfolg der Populisten. Aber gut regieren ist eine Grundvoraussetzung dafür, dass überhaupt wieder mehr Vertrauen entsteht.
Bis zum Sommer werde das Land eine Veränderung spüren, hat der Kanzler versprochen. Das war angesichts der weltwirtschaftlichen Unwägbarkeiten leichtsinnig. Trotzdem sollte er schleunigst damit anfangen, dieses Ziel zu erreichen.