Haller in Uniform: SPD-Abgeordneter Haller in Ausbildung bei der Bundeswehr

Wo ist Martin Haller? Für sein Fehlen bei zwei Landtagssitzungen hat der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion eine besondere Entschuldigung. Die interessiert auch den Ministerpräsidenten.

Gedient hat Martin Haller nicht. Wegen Asthmas sei er bei seinem ersten Besuch in Mainz Ender der 1990er Jahre im Kreiswehrersatzamt sofort ausgemustert worden, erzählt der 42 Jahre alte Pfälzer im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. „Das war schon in der Endphase der Wehrpflicht, es gab keine echte Wehrgerechtigkeit mehr.“ 

Die Entscheidung „Bund oder Wehrdienst verweigern“ blieb dem jetzigen Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Fraktion somit erspart. Er wollte damals noch Pfarrer werden. 

Heute zur Verteidigung bereit 

„Heute wäre ich hundertprozentig bereit“, sagt Haller, der im Frühjahr das Amt des Bürger- und Polizeibeauftragten antritt. „Ich wäre bereit, das Land und die Demokratie zu verteidigen. Und das geht vielen meiner Generation so.“ Haller ist auch Landesvorsitzender des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge.

Diese Entwicklung habe sowohl mit der „Zeitenwende“ durch den Angriff Russlands auf die Ukraine als auch mit dem eigenen Älterwerden zu tun. „Inzwischen bin ich selbst Vater und es gibt viele Kinder in meiner Familie, die sich mit Themen auseinandersetzen müssen, von denen wir geglaubt haben, sie hätten keine Relevanz mehr.“ Er sei in behüteten Umständen und einer friedlichen Zeit aufgewachsen, in der man geglaubt habe, alles werde immer nur besser werden und Krieg in Europa gebe es nicht mehr. 

Ministerpräsident Schweitzer war auch untauglich

„Ich wurde damals aufgrund von Rückenbeschwerden ausgemustert“, berichtet der 2,06 Meter große Ministerpräsident Alexander Schweitzer. „Ich habe mich trotzdem sehr mit der Frage Wehrdienstverweigerung beschäftigt“, ergänzt der 52 Jahre alte Sozialdemokrat. „Die Bundeswehr hatte damals noch keine Personalprobleme. Heute würde ich aufgrund der veränderten geopolitischen Lage wahrscheinlich anders darüber denken.“ 

Bei der Diskussion über die Wiedereinführung der Wehrpflicht sei es ihm aber wichtig, „nicht über die Köpfe derjenigen hinweg zu entscheiden, die es betreffen wird“, betont der Regierungs-Chef.

Haller war jetzt eine Woche beim Bund – in Uniform

Die Anregung des ehemaligen Landeskommandeurs der Bundeswehr, Oberst Stefan Weber, bei einem Programm für zivile Führungskräfte des Heers im Sommer mitzumachen, stieß bei Haller auf offene Ohren. 

Ziel der Veranstaltung in der Panzertruppenschule im niedersächsischen Munster für Ungediente war es, zivilen Führungskräften und politischen Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern einen realistischen Einblick in den täglichen Dienst der Streitkräfte zu geben und sie als Multiplikatoren für die Bundeswehr zu gewinnen.

„Das war eine sehr, sehr gute, intensive und gewinnbringende Zeit“, sagt Haller über seine erste Woche in Bundeswehruniform am größten Standort des Heers in Deutschland. „Ich habe einen Heidenrespekt vor dem, was da geleistet wird.“ Er sei nach der Woche im Sommer mit einem „sehr guten Gefühl“ weggefahren. 

Frei von Klischees

Keines der üblichen Klischees über die Bundeswehr habe zugetroffen. „Die Feldküche war herausragend“, sagt er mit einem Schmunzeln und schwärmt vom Gulasch – trotz der 37 Grad. 

Ebenfalls herausragend sei die individuelle Ausrüstung der Soldaten gewesen – von den Stiefeln bis zu den Waffen verschiedener Kaliber, mit denen Haller das Schießen trainiert hat. Zuvor hatte er nur Übung mit einem Sportluftgewehr. 

Wie wird man als Ungedienter Reservist? 

„Interessierte ungediente Bürgerinnen und Bürger können sich bei den Karrierecentern der Bundeswehr informieren und bewerben, um sich zur Reservistin und zum Reservisten ausbilden zu lassen“, erklärt eine Sprecherin des Operativen Führungskommandos der Bundeswehr. 

Rund 500 Ausbildungsplätze habe es in diesem Jahr gegeben. Das Programm gebe es seit 2018, es umfasse 168 Stunden – entweder in vier Wochen am Stück oder in vier bis fünf Wochenendmodulen. 

Die Ausbildung Ungedienter werde derzeit neu ausgerichtet. „Sie wird weiterhin ein wichtiger Bestandteil der personellen Reserve der Bundeswehr bleiben.“ Sie werde nicht nur als Übergangslösung verstanden, sondern als eigenständiges und langfristiges Angebot, das junge Menschen qualifiziere und so zur Stärkung der Reserve beitrage. „Der personelle Aufwuchs der Bundeswehr ist und bleibt da wichtigste strategische Ziel, um die Einsatzbereitschaft nachhaltig zu stärken.“ Dies gelte auch für die Reserve. 

Spott über Puma-Schützenpanzer ärgert Soldaten

Bei der Bundeswehr habe er auch tolle Leute kennengelernt, berichtet Haller. „Staatsbürger im besten Sinne, sehr politisch interessiert und mit großem Interesse, etwas für das Land beizutragen.“ Die innere Führung der Bundeswehr sei nach seinem Eindruck sehr gut aufgestellt, die Truppe habe auch in weiten Teilen hervorragendes Material. Allerdings etwa bei den Panzern einfach zu wenig. 

Der oft kritisierte Schützenpanzer Puma gehöre zu den besten weltweit und die Soldaten ärgerten sich sehr, wenn darüber gespottet werde. „Der Ausbildungsstand im Umgang mit dem Puma ist einfach unfassbar hoch.“ 

Schießen, Panzer, Vorträge und Märsche standen auf dem durchgetakteten Programm der rund 70 Männer und Frauen aus Politik und Industrie aus ganz Deutschland, berichtet Haller. Schnell sei eine Gemeinschaft entstanden. „Gruppendynamische Prozesse“ etwa bei gemeinsamen Orientierungsübungen waren auch Teil des Programms. „Kameradschaft hat die Bundeswehr drauf“, stellt der SPD-Politiker fest. 

Haller hält Aufrüstung für notwendig 

„Natürlich bereitet sich die Bundeswehr auf den Ernst- und Kriegsfall vor, auf was denn sonst?“, sagt Haller. „Wir haben da hervorragende Leute, die das gut machen. Und die auch außerhalb des Ernstfalls enorm wichtige Dienste für unsere Gesellschaft leisten.“ Die Flutkatastrophe im Ahrtal vor gut vier Jahren nennt er als Beispiel. Fast zweieinhalb Jahre stand er an der Spitze des Landtags-Untersuchungsausschusses, der die Ereignisse aufgearbeitet hat. 

Die gesellschaftliche Anerkennung der Arbeit der Bundeswehr fehle noch, stellt Haller fest. „Es muss jeder eine Haltung dazu haben“, fordert er. „Auch bei der Bundeswehr macht es niemanden froh, dass man jetzt so aufrüsten muss. Mit dieser Notwendigkeit wird aber äußerst professionell umgegangen.“

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