Auf dem „Festival der Vielfalt“ wütete in Solingen ein Messerstecher. Er tötet drei Menschen und verletzt weitere. Kurz danach reklamiert die Terrorgruppe Islamischer Staat den Anschlag für sich.
Neun Monate nach dem Terroranschlag von Solingen beginnt heute in Düsseldorf der Prozess gegen den mutmaßlichen Attentäter. Der Syrer Issa al H. soll sich am 23. August 2024 beim Stadtfest zum 650-jährigen Bestehen Solingens in die Menge geschlichen, vor einer der Bühnen drei Besucher erstochen und versucht haben, zehn weitere zu töten.
Bei den Todesopfern handelt es sich um zwei Männer (56 und 67 Jahre alt) und eine Frau (56). Acht Menschen wurden verletzt. Zwei Besucher soll der Angreifer knapp verfehlt, aber ihre Kleidung zerfetzt haben. Auch diese Attacken wertet die Bundesanwaltschaft als Mordversuche.
Der Prozess beginnt im Hochsicherheitstrakt des Düsseldorfer Oberlandesgerichts. Zwei Pflichtverteidiger wurden dem Angeklagten zur Seite gestellt. Zwölf Verletzte und Angehörige von Todesopfern treten als Nebenkläger auf. Die Anklage der Bundesanwaltschaft ist 95 Seiten stark.
Dreifacher Mord, zehnfacher Mordversuch
Die Bundesanwaltschaft hat den mutmaßlichen Attentäter wegen dreifachen Mordes und zehnfachen versuchten Mordes angeklagt. Zudem wird ihm vorgeworfen, IS-Terrorist zu sein. Als radikaler Islamist habe Issa al H. eine möglichst große Anzahl aus seiner Sicht „Ungläubiger“ töten wollen.
Wenige Stunden vor der Tat soll der inzwischen 27-Jährige der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) die Treue geschworen haben. Einen Tag später reklamierte der IS den Anschlag für sich. Es war das erste Bekenntnis dieser Art seit dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt 2016.
Auf drei Bühnen wollte die Stadt Solingen im August ihr 650-jähriges Bestehen feiern. 75.000 Menschen wurden an dem Wochenende zum „Festival der Vielfalt“ erwartet. Doch schon am ersten Abend um 21.37 Uhr gellten Schreie des Schmerzes und des Entsetzens. Kurz darauf wurde das Fest abgebrochen.
Issa al H. war einen Tag nach der Tat in Solingen festgenommen worden. Seither sitzt er in Untersuchungshaft.
„Beweislage erdrückend“
Der Solinger Rechtsanwalt Simon Rampp vertritt acht Betroffene – sowohl Verletzte als auch Angehörige von Todesopfern des Anschlags. „Aus meiner Sicht ist die Beweislage erdrückend. Die Ermittler haben extrem gute Arbeit geleistet“, sagte er vor Prozessbeginn. Er werde sich für die Höchststrafe einsetzen, sollten sich die Vorwürfe bestätigen.
Der Angeklagte hat sich gegenüber den Ermittlern und dem Haftrichter nicht zu den Vorwürfen geäußert. Gegenüber einem Psychiater soll er allerdings behauptet haben, während der Tat von Wahnvorstellungen und Halluzinationen getrieben gewesen zu sein.
Ein Abschiebungsversuch
Der Anschlag hatte die politische Diskussion um Abschiebungen, das Dublin-System und die innere Sicherheit in Deutschland befeuert. Sicherheitspakete wurden geschnürt und verabschiedet. Ein Untersuchungsausschuss im Düsseldorfer Landtag befasst sich derzeit unter anderem mit der Frage, warum die Abschiebung des späteren mutmaßlichen Attentäters scheiterte.
Issa Al H. sollte schon 2023 den EU-Asylregeln zufolge ins Erstaufnahmeland Bulgarien abgeschoben werden. Als er aus der Flüchtlingsunterkunft abgeholt werden sollte, war er aber nicht aufzufinden. Ein weiterer Rückführungsversuch wurde nicht unternommen. Die Frist verstrich und er bekam dadurch subsidiären Schutz in Deutschland.
Das Düsseldorfer Oberlandesgericht hat bis zum 24. September 22 Verhandlungstage angesetzt.