Enhanced Games: „Krass geschockt“: Kritik am Kusch-Wechsel zu Dopingspielen

Mit seinem Schritt zu den Enhanced Games sorgt Marius Kusch für Aufsehen in der Schwimmszene. Ex-Schwimmstars haben eine klare Meinung dazu, auch die Verbände zeigen sich entsetzt.

Geldgetrieben, skandalös – oder gar ein Verrat an den Idealen des Sports? Schwimmer Marius Kusch hat mit der Ankündigung seines Wechsels zu den umstrittenen Enhanced Games für großes Aufsehen gesorgt. Der erste deutsche Athlet, der bei den sogenannten Dopingspielen mitmachen will, erntet neben Verständnis für den finanziellen Anreiz vor allem scharfe Kritik. 

„Wir haben eigentlich gewisse Werte, gewisse Haltungen – und da rückt jetzt jemand aus diesem Kreis aus, der das jahrelang mitgetragen hat. Das ist für mich erstmal schwer zu verstehen“, sagte Dorothea Brandt, die frühere Aktivensprecherin des Deutschen Schwimm-Verbands (DSV), der Deutschen Presse-Agentur.

Britta Steffen, Doppel-Olympiasiegerin von 2008 im Schwimmen, sagte auf dpa-Anfrage: „Letztlich hängt eine solche Entscheidung immer vom eigenen Wertesystem ab.“

Kusch (32) hat seine Zusage für das umstrittene Projekt gegeben, bei dem Weltrekorde auch mit Hilfe von Dopingmitteln aufgestellt werden sollen. Der Kurzbahn-Europameister von 2019 begründete dies auch mit dem „beispiellosen Preisgeld“, das dort zu verdienen ist.

Viel Geld – aber auch dunkler Schatten

„Gerade, weil viele Athletinnen und Athleten – auch in Deutschland – unter prekären finanziellen Bedingungen leben, erscheinen die hohen Preisgelder der Enhanced Games für manche als einmalige Chance auf finanzielle Sicherheit durch den eigenen Sport„, sagte Johannes Herber, Geschäftsführer von Athleten Deutschland.

Herber kritisiert in diesem Zusammenhang auch das Internationale Olympische Komitee (IOC): „Damit instrumentalisieren die Organisatoren der Enhanced Games einen der größten Missstände im internationalen Sport: die Weigerung des IOC, Athletinnen und Athleten angemessen an seinen enormen Gewinnen zu beteiligen.“

Event in Las Vegas mit drei Sportarten

Die Enhanced Games sollen erstmals im Mai 2026 in Las Vegas steigen. Drei Sportarten sind vorgesehen: Schwimmen, Leichtathletik und Gewichtheben mit jeweils ausgewählten Disziplinen. Jede Einzelveranstaltung ist den Angaben zufolge mit einem Preisgeld von 500.000 US-Dollar (rund 424.000 Euro) dotiert, 250.000 US-Dollar (rund 212.000 Euro) gehen jeweils an die Sieger. Darüber hinaus bieten die Veranstalter Antrittsgelder und eine Million US-Dollar für bisher nicht gelaufene und geschwommene Zeiten über 50 Meter Freistil und die 100 Meter in der Leichtathletik.

„Jeder Mensch hat das Recht, frei über seinen Körper bestimmen zu können“, ließ der Deutsche Olympische Sportbund in einer Stellungnahme verlauten: „Wer sich allerdings gesundheitsgefährdenden Projekten wie den Enhanced Games anschließt, nimmt wissentlich in Kauf, sich damit außerhalb der Gemeinschaft des Sports zu positionieren.“

„In Deutschland haben wir ein Anti-Doping-Gesetz, für deutsche Leistungssportler ist Doping illegal“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada), Lars Mortsiefer, der ARD. Sollte Kusch auf deutschem Boden positiv getestet oder mit Doping in Zusammenhang gebracht werden, drohe ihm ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Anti-Doping-Gesetz. „Diesbezüglich werden wir auf die Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften zugehen“, sagte Mortsiefer.

Die Nada selbst habe derzeit „wenig bis gar keinen Zugriff“ auf Kusch, erklärte Mortsiefer. Kusch befinde nicht mehr im System oder in einem Nada-Testpool.

Schwimmverband verurteilt Projekt „aufs Schärfste“

Zuvor hatte sich auch DSV-Vorstandschef Jan Pommer mit deutlichen Worten geäußert: „Die Enhanced Games stehen diametral zu allem, wofür der Sport steht.“ Sie würden Fairness, Gesundheit und die Daseinsberechtigung des Sports selbst verhöhnen, indem sie Doping nicht nur tolerieren würden, „sondern als vermeintlich autonom zu treffende Option zur Selbstoptimierung inszenieren“. Der Schwimmverband verurteile dies „aufs Schärfste“. 

Das Argument Geld lässt Brandt bei ihrer Bewertung nur bedingt zu. „Wer Leistungssport macht, gerade den Schwimmsport, der weiß halt, dass man damit nicht reich wird“, sagte die Kurzbahn-Europameisterin von 2010. Geld sei „natürlich ein großer Motivator“, weiß Brandt: „Aber diese Schattenseite, die ich da betrete, ist die andere Perspektive.“

„Aber dann bist du in zehn Jahren vielleicht tot“

Die frühere Sprint-Spezialistin sieht die Enhanced Games auch aus gesundheitlicher Perspektive kritisch. „Ist es das wert, dass man sich das ganze Zeug – auch wenn das ärztlich überwacht wird – reinzieht? Es weiß ja niemand, was in zehn Jahren passiert. Was passiert dann mit dir? Dann hast du fünf Jahre mehr Kohle, aber dann bist du in zehn Jahren vielleicht tot“, sagte die 41-Jährige. 

Sie selbst hätte eine solche Anfrage zu aktiven Zeiten aber nicht nur deswegen kategorisch abgelehnt: „Für mich wäre es eine Charakterfrage gewesen, und ich hätte es nicht gemacht.“ Auch Steffen betonte: „Für mich wäre das nie etwas gewesen.“

Brandt gibt auch zu bedenken, dass die zu den Enhanced Games gewechselten Athleten womöglich für Marketing-Zwecke benutzt werden. „Wir sind erstmal krass geschockt, aber die Leute sind trotzdem neugierig und wollen wissen, was passiert da, wie geht das“, sagte sie: „So funktioniert ja gutes Marketing.“

Zur Führungsriege der Enhanced Games gehören der deutsche Milliardär Christian Angermayer, unter anderem Mitgründer eines Biopharma-Unternehmens, und der australische Oxford-Absolvent Aron D’Souza. Das Internationale Olympische Komitee und die Welt-Anti-Doping-Agentur haben das Projekt scharf kritisiert.

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