Trauer, Zuspruch und auch Zuversicht. Am ersten Jahrestag des Terroranschlags geht es vor allem um Zusammenhalt. Aber auch größere Möglichkeiten der Sicherheitsbehörden spielen eine Rolle.
Zuspruch, stilles Gedenken zur Tatzeit 21.37 Uhr und viele brennende Kerzen: Solingen hat genau ein Jahr nach dem mutmaßlich islamistischen Terroranschlag mit Veranstaltungen der Opfer gedacht.
Bei der Messerattacke eines Täters an einer Bühne des Stadtfestes auf dem Fronhof starben während eines Konzerts am 23. August 2024 drei Menschen, zahlreiche weitere Zuschauer wurden damals verletzt.
Mit Kerzen versammelten sich am Abend Hunderte Menschen zu einer Trauerfeier an der Gedenktafel vor der evangelischen Stadtkirche am Fronhof – drei Glockenschläge und dann ein Moment der Stille zur Tatzeit.
Hunderte auf dem Fronhof
Vor der Trauerfeier am späten Abend hatten sich bereits am Mittag Hunderte Menschen zur Gedenkveranstaltung der Stadt auf dem Fronhof versammelt. Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) und Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) dankten den vielen Ersthelfern und Einsatzkräften.
„Nichts kann Euren Schmerz ungeschehen machen“, sagte Kurzbach an die Angehörigen, Verletzten, Traumatisierten und Betroffenen gerichtet. „Wir fühlen mit Euch, wir denken an Euch und wir umarmen Euch“, erklärte er.
Kurzbach betonte: „Wir sind Menschen, die den Schmerz aushalten, aber auch die Kraft haben, wieder aufzustehen“. Es gelte beides zuzulassen: Trauer und Freude. „Das vergangene Jahr, es hat uns auch gezeigt: So schwer es fällt, wir finden zurück ins Leben, Stück für Stück, manchmal zaghaft, manchmal mutiger“, beschrieb er den Weg zurück zur Normalität.
Es wird wieder gefeiert in Solingen
Weihnachtsmarkt, Rosenmontagszug, Stadtteilfeste und große Sommerparty vor zwei Wochen: „Wir lassen uns die Freude am Leben nicht nehmen. Wir lassen uns nicht vorschreiben, wie wir zu leben haben“, sagte Kurzbach.
Die Tat sei auch ein Angriff auf das Miteinander, auf die offene Gesellschaft, auf Freiheit und Vielfalt gewesen. „Das Attentat traf Solingen, aber gemeint waren wir alle in Nordrhein-Westfalen und in Deutschland„, sagte der OB. Er rief dazu auf, nicht nur nach Solingen zu kommen, „wenn wir trauern“. „Kommen Sie auch, wenn wir feiern“. Denn Solingen sei mehr als dieser schreckliche Abend, eine Stadt mit Geschichte, Kultur und Lebensfreude.
„Wahllos auf Menschen eingestochen“
Auch Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) blickte zurück: „Es ist 21.37 Uhr, als hier im Fronhof ein islamistischer Extremist wie aus dem Nichts und ohne Vorwarnung und völlig wahllos auf Menschen eingestochen hat.“ Der Anschlag habe „unser Land ins Herz getroffen“. Der Täter habe auch versucht zu spalten, sei damit aber gescheitert. Die Menschen hätten Mut, Solidarität und Mitgefühl gezeigt. Verletzten sei schnell geholfen worden.
Maßnahmenpaket der Landesregierung
Der Regierungschef verwies auf das knapp 100 Millionen Euro schwere Paket der Landesregierung mit umfangreichen Maßnahmen zur Stärkung von Polizei und Verfassungsschutz und auch der Prävention.
Richtung Berlin sprach sich Wüst für die Vorratsdatenspeicherung zur Terrorabwehr aus. Er sei dankbar dafür, dass auch auf Bundesebene verabredet worden sei, die Vorratsdatenspeicherung möglich zu machen. Dabei geht es um die Speicherung verschiedener Telekommunikationsdaten durch Behörden.
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) teilte zum Jahrestag mit: „Dieser Anschlag zeigt auch, wie groß die Gefahr durch den Islamismus in Deutschland ist.“ Er versicherte: „Wir bleiben wachsam und stärken unsere Sicherheitsbehörden gegen den Extremismus.“
„Es ist nicht alles wieder gut“
Auch am Mittag gab es drei Glockenschläge und ein stilles Gedenken. An der Stadtkirche hinter den Rednern war das Wort „Frieden“ auf drei Bannern zu lesen, zuerst mit Fragezeichen, dann Ausrufezeichen und dann ein Punkt.
„Es ist nicht alles wieder gut. Manche sind noch mittendrin, in der Trauer, kämpfen mit den Folgen, körperlichen und seelischen“, sagte Superintendentin Ilka Werner vom evangelischen Kirchenkreis Solingen.
Viele Menschen drängten sich am Mittag um den kleinen Gedenkstein und legen Blumen nieder. Auf dem kleinen Platz, dem Fronhof, verweilten andere noch, hielten sich in den Armen oder fragten einfach: „Wie geht es Dir?“
Prozess in Düsseldorf
Rund 25 Stunden nach dem Terroranschlag hatten Polizisten den untergetauchten mutmaßlichen Täter auf der Straße in der Nähe des Flüchtlingsheims festnehmen können, in dem der Verdächtige in Solingen wohnte.
Im Hochsicherheitstrakt des Oberlandesgerichtes Düsseldorf läuft seit Ende Mai der Prozess gegen den angeklagten Syrer Issa al H., der den Messerangriff gestanden hat. Zum Vorwurf der IS-Mitgliedschaft äußerte er sich bisher nicht. Der Strafprozess könnte im September enden.