Drogenkriminalität: Weniger Delikte, mehr Arbeit: Polizei gegen Cannabis-Gesetz

Die Teillegalisierung von Cannabis sollte den Schwarzmarkt austrocknen. Straftaten in Bezug mit der Droge gehen seither massiv zurück. Doch die Sicherheitsbehörden kritisieren aufwändigere Kontrollen.

Deutlich weniger Straftaten in Bezug auf Cannabis sind nach der Einführung des Cannabis-Gesetzes im April 2024 erfasst worden. So wurden laut Landeskriminalamt von Januar bis März 2024 insgesamt 8.945 Delikte festgestellt – von April bis Dezember waren es noch 2.203 Verstöße. Doch Polizei und Sicherheitsbehörden beklagen eine deutliche Mehrarbeit seit der Teillegalisierung von Cannabis vor gut einem Jahr. Wie passt das zusammen?

Was ist in Bezug auf Cannabis aktuell erlaubt?

Wer 18 und älter ist, darf zu Hause bis zu 50 Gramm aufbewahren und draußen maximal 25 Gramm mit sich führen. Weitergabe und Verkauf bleiben verboten. Zu Hause dürfen außerdem drei Pflanzen angebaut werden. In Anbauvereinigungen dürfen Erwachsene Cannabis anbauen und untereinander zum Eigenkonsum abgeben – am Tag höchstens 25 Gramm je Mitglied und im Monat höchstens 50 Gramm. Verboten ist das Kiffen unter anderem auf Spielplätzen, in Schulen, Sportstätten, also auch Fußballstadien, Kinder- und Jugendeinrichtungen und jeweils in Sichtweite davon.

Wie hat sich die Polizeiarbeit durch das Gesetz verändert?

Cannabis-Delikte werden laut Innenministerium in der Regel erst durch Ermittlungen oder Kontrollen bekannt. „Aus polizeilicher Sicht erschwert die neue Gesetzeslage, gezielte Kontrollen durchzuführen“, sagte ein Sprecher. Bis zum 31. März 2024 sei etwa eine Person, die mit knapp 25 Gramm Cannabis draußen kontrolliert worden war, allein aufgrund der Menge häufig des Handels verdächtigt worden. 

Nun müssten die Beamten überprüfen, woher das Cannabis stamme – im Extremfall bis hin zum Samen einer Pflanze – und die Einhaltung der Konsumverbotszonen überwachen. Laut Ministerium gibt es etwa Unsicherheiten bei Grenzwerten und Schwierigkeiten bei der Beweissicherung, etwa beim THC-Gehalt. Tetrahydrocannabinol (THC) ist der Stoff mit der Rauschwirkung.

Was sagen die Polizeigewerkschaften?

Ralf Kusterer, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), kritisierte mit Blick auf das Gesetz: „Es hindert uns daran, wie bisher die organisierte Kriminalität zu bekämpfen. Der illegale Drogen-Schwarzmarkt boomt.“ Die Polizisten müssten einen deutlich höheren Aufwand betreiben, um Dealer zu überführen.

Alexander Poitz, stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), spricht von Touristen, die extra aus dem Ausland für den Konsum anreisten, nachdem sie fälschlicherweise von der „Cannabis-Legalisierung“ in Deutschland gehört hätten. 

Auch forderten die neuen Vorgaben für die Kontrollen im Straßenverkehr die Beamten heraus. So gilt seit Ende August 2024 ein höherer THC-Grenzwert von 3,5 Nanogramm pro Milliliter Blutserum für Autofahrer. „Noch immer gibt es zum Beispiel keine geeigneten Messgeräte“, sagte Poitz.

Was kritisiert das Justizministerium?

„Das Gesetz hat sich in der Praxis als massives Hindernis für die Strafverfolgung erwiesen“, sagt Justizministerin Marion Gentges (CDU). „Es schränkt zentrale Ermittlungsmethoden wie Telekommunikationsüberwachung, Online-Durchsuchungen und Standortdatenerhebung stark ein.“ Die ursprünglichen Ziele des Gesetzes – den Schwarzmarkt auszutrocknen und die organisierte Kriminalität zu bekämpfen – seien „klar verfehlt“ worden.

Was fordern die Sicherheits- und Justizbehörden?

Das Innenministerium stellt sich komplett gegen das Gesetz. „Nach unserer Auffassung wäre die Aufhebung der Legalisierung von Cannabis notwendig“, sagte der Sprecher. Justizministerin Gentges forderte dagegen eine Überarbeitung des Gesetzes mit dem Ziel, „dass Ermittlungsbehörden wieder Zugang zu den notwendigen Instrumenten erhalten“.

Und die Interessenvertreter der Polizei?

Die Deutsche Polizeigewerkschaft fordert die Abschaffung des Gesetzes. Mit der Freigabe von Cannabis werde den Konsumenten suggeriert, dass dabei kein oder kaum ein Risiko bestehe, sagte Kusterer.

Die Gewerkschaft der Polizei hingegen fordert stattdessen eine Anpassung des Gesetzes: Statt Anbauvereinigungen solle es Modellregionen mit staatlich kontrollierter Abgabe von Cannabis durch Läden oder etwa Apotheken geben. Dies war ursprünglich als zweite Säule neben den Anbauvereinigungen durch die damalige Bundesregierung geplant.

Was plant die neue Bundesregierung?

Unter dem Stichwort „Cannabis“ heißt es im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD: „Im Herbst 2025 führen wir eine ergebnisoffene Evaluierung des Gesetzes zur Legalisierung von Cannabis durch.“ Eine erste Evaluierung sah das geltende Gesetz bereits vor.

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