Berühmte Stimme: Synchronsprecher über Hollywoodstars: „Ben Stiller ist kein großer Fan“

Er leiht Kindheitshelden und Stars seine Stimme: Synchronsprecher Oliver Rohrbeck über die Zukunft von „Die drei Fragezeichen“, Job-Bedrohung durch KI und kritische Schauspieler.

Oliver Rohrbeck hat eine der bekanntesten Stimmen Deutschlands. Für viele klingt sie nach Kindheit: Seit über 45 Jahren spricht der heute 60-Jährige Justus Jonas in der Hörbuch-Serie „Die drei Fragezeichen“. Bislang sind 233 Folgen der Reihe erschienen. Auch dem US-Schauspieler Ben Stiller leiht Rohrbeck seit langer Zeit seine Stimme. 

Herr Rohrbeck, was macht gutes Sprechen aus?
Ich werde oft gefragt, ob ich meine Stimme verstelle, wenn ich Justus Jonas spreche, Ben Stiller synchronisiere oder Gru in „Ich – Einfach unverbesserlich“. Die Antwort ist: nein. Ich schauspielere. Wenn also jemand im Film weint, dann will ich das nicht nur andeuten, sondern weine auch. Ich versetze mich in die Figuren hinein. So verändert sich, wie ich spreche. Der nerdige Ben Stiller, der am Ende trotzdem die schönste Frau der Welt abbekommt, redet anders als Gru. 

Wie ist Ihr Verhältnis zu den Stars, denen Sie Ihre Stimme leihen? 
Ich kenne sie nicht persönlich, trotzdem ist es eine besondere Beziehung, weil ich natürlich genau verfolge, wie sie sich über die Jahre weiterentwickeln. Ben Stiller zum Beispiel ist kein großer Fan von Synchronisationen. Vor ein paar Jahren ließ er seine deutsche Stimme sogar neu casten. Der Verleih war wenig begeistert, weil meine Stimme etabliert war. Aber ich habe mich auf ein neues Casting eingelassen – und wurde schließlich wieder genommen.

Waren Sie gar nicht beleidigt?
Nein, ich nehme ihm das nicht übel und glaube, er steht mir jetzt sogar positiver gegenüber. Stellen Sie sich vor, Sie schauen einen deutschen Film auf Thailändisch. Die Lippenbewegungen passen nicht zum Ton, sie haben keinen Zugang zu den vermittelten Gefühlen. Genau so geht es amerikanischen Schauspielern mit deutsch synchronisierten Filmen – es ist seltsam für sie. Ich selbst schaue auch lieber im Original.

Welche Rolle spielt künstliche Intelligenz in Ihrer Branche? 
Da geschieht schon viel. Englische Audio-Aufnahmen können zum Beispiel ins Deutsche übertragen und von einer KI-Stimme gesprochen werden. Noch fehlt dabei oft die Emotionalität, aber es wird immer besser und billiger. Auch im Schnitt und bei Skript-Übertragungen hilft KI schon. Außerdem gibt es Bemühungen, die Mundbewegungen der Schauspieler im Video so zu verändern, dass sie lippensynchron werden und perfekt zur Übersetzung passen. 

Mit welchem Gefühl blicken Sie darauf?
Erstmal mit Faszination, auch wenn Sorge um meinen Berufsstand mitschwingt. Gerade ist im Bereich KI aber noch so viel unsicher, dass ich, so wie viele meiner Kollegen, aus meinen Verträgen herausstreiche, dass meine Stimmen für KI-Trainings verwendet werden darf.

Besonders bekannt sind Sie für Ihre Rolle als Justus Jonas in der Hörspielreihe „Die drei Fragezeichen“. Sie machen das seit bald 50 Jahren in der gleichen Besetzung. Liegt darin das Erfolgsgeheimnis? 
Ich denke schon. Würde einer von uns aufhören wollen, weiß ich nicht, ob der Rest noch weitermachen würde. 

Müssen sich die Zuhörer Sorgen machen?
Nein, bisher war das noch nie ein Thema. Wir sind ja zum Glück keine Boyband, die jeden Tag gemeinsam probt und sich dann auf einer Tour verkracht. Wir haben auch alle unser eigenes Ding im Fragezeichen-Kosmos gefunden. Ich mache mit der „Lauscherloung“ Mitmachhörspiele, Andreas Fröhlich, der Sprecher von Bob, einen Podcast – den „Bobcast“ – und Jens Wawrczeck, der Peter spricht, macht Hitchcock-Lesungen. „Die drei Fragezeichen“ sind Kult und weltweit die längste und erfolgreichste Hörspielreihe.

Sie alle sind mittlerweile über 60, sprechen aber Teenager. Wie funktioniert das? 
Absurderweise stört sich daran niemand. Vielleicht, weil wir gar nicht versuchen, wie Teenager zu klingen. Es reicht, dass wir ihre Haltung annehmen. 

Gab es schon Überlegungen, die drei Detektive altern zu lassen? 
Ein bisschen sind sie es schon: Am Anfang waren sie etwa 13, irgendwann bekamen sie dann Autos und auch mal eine Freundin. Wir gehen also davon aus, dass sie etwa 18 sind. Bald erscheint ein Sonderbuch von Andreas Eschbach, das „Die drei Fragezeichen“ um dreißig Jahre altern lässt. Ich habe es schon gelesen, es ist super fesselnd. Trotzdem glaube ich nicht an das Zukunftsszenario – mehr darf ich aber nicht verraten.

Was denken Sie, was aus Justus Jonas werden würde? 
Ehrlich gesagt weiß ich es nicht. Ich habe Justus aber sehr liebgewonnen, auch wenn er manchmal rechthaberisch und auch unsympathisch ist. Das gehört eben zu ihm. Tatsächlich vergesse ich aber auch ganz viele Geschichten wieder. Unsere Zuhörer sind viel tiefer in der Materie als wir – schließlich sind wir ja nicht die, die die Folgen zum Einschlafen hören (lacht).

Wie laufen die Aufnahmen für eine Folge ab? 
Vier-, fünfmal im Jahr treffen wir uns in Hamburg im Studio. Dann sitzen wir mit den anderen Schauspielern an einem Tisch und nehmen alles gemeinsam auf. Es läuft also ganz anders als bei Hörspielen, wo jeder Satz einzeln aufgenommen und am Ende alles zusammengeschnitten wird. Wir machen auch direkt Geräusche mit, rascheln mit Papier oder knautschen mit Leder, um Bewegungen auf Autositzen zu imitieren. So entsteht eine Folge am Tag. 

Die erste Folge erschien 1979. Wie hat damals alles angefangen? 
Ich hatte vorher schon die „Fünf Freunde“ gesprochen, das Angebot für „Die drei Fragezeichen“ kam, als ich vierzehn war. Jens kannte ich schon, weil wir auf die gleiche Schule gingen und meine Mutter Casterin war. Andreas lernten wir bei den ersten Aufnahmen kennen. Dafür sind wir immer von Berlin nach Hamburg geflogen, dreißig Minuten dauerte das. Ursprünglich sollte Andreas Peter sprechen und Jens Bob – das hat vorne und hinten nicht funktioniert, also haben sie dann getauscht.

Wurde der Erfolg schnell spürbar?
Sofort. Schon die erste Folge, „Der Superpapagei“, wurde 500.000 Mal verkauft. 

„Die drei Fragezeichen“ spielt in Rocky Beach, einer fiktiven Stadt in Kalifornien. Wie viel USA-Nostalgie steckt in der Serie? 
Das Setting spiegelt die USA, wie Deutsche es sich vorstellen: mit Villen voller Geheimgänge, in denen berühmte Opernsängerinnen in den Hollywood Hills wohnen – so was eben! Mit den realen USA, die Trump regiert, hat diese Welt nichts zu tun. Wir dürften dort trotzdem Helden sein und die Unwahrheiten in einer Erwachsenenwelt aufdecken. 

Sind „Die drei Fragezeichen“ eigentlich noch eine Kindergeschichte – oder hören sie hauptsächlich Erwachsene?
Die meisten Hörer sind Erwachsene – für viele ist das Hörspiel Teil ihrer Kindheit. Gerade in schweren Zeiten gibt es Halt. Wir bekommen Briefe von Auswanderern, die sagen, dass „Die drei Fragezeichen“ für sie Heimat bedeuten. In Afghanistan stationierte Soldaten haben uns mal erzählt, dass sie die Folgen abends in der Kaserne hören, um den Kopf freizubekommen. Da bekomme ich Gänsehaut. Es ist ein schönes Gefühl, Teil von etwas zu sein, das Trost spenden kann.

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