Trauer in Güstrow: Langsames Loslassen – Trauergottesdienst für Fabian

Der Tod des achtjährigen Fabian hat tiefe Wunden gerissen. Die Frage nach dem Warum bleibt unbeantwortet. In der Stadt Güstrow versuchen viele das Unfassbare zu fassen – auch bei einem Gottesdienst.

Die Ermittlungen laufen. Details werden nicht mitgeteilt. Gleichlautend sind die Antworten der Staatsanwaltschaft, die vermutlich gar nicht anders sein können, aus ermittlungstaktischen Gründen nach einem Gewaltverbrechen. Es gibt noch keine Festnahmen, auch rund zwei Wochen nachdem der achtjährige Fabian aus Güstrow tot aufgefunden wurde. Alles ist irgendwie ungewiss. Die Familie, Angehörige, Freunde und Güstrower suchen Halt. Die Kirche St. Marien im Herzen Güstrows ist vielleicht ein solcher Ort, der etwas Halt bieten kann – auch am Donnerstagabend. Dann findet dort ein Trauergottesdienst statt. 

Schon am 14. Oktober, dem Tag, als bekannt wurde, dass der Junge tot aufgefunden wurde, versammelten sich dort am Abend 700 Menschen zu einer „Lichtermesse“. „Es gibt bei vielen die Sehnsucht, die Trauer vor Gott zu tragen“, sagt Jens-Peter Schulz, Pastor der Evangelisch-Lutherischen Pfarrgemeinde Güstrow. Damals hatten die Menschen 400 Kerzen angezündet in der Kirche. „Es war nicht nur, dass es hell wurde. Es war auch eine Wärme hier zu spüren und diese Wärme, die auch irgendwie aus dieser Kirche herausgetragen wurde in die Stadt“, erinnert sich Schulz.

Seitdem stellen immer wieder Menschen Kerzen vor die Kirche. Und nicht nur das. Viele Dutzende kleine und große Plüschtiere, Hunde, kleine Mäuse, Minions und Teddybären, Matchbox-Autos und vieles mehr. Nach dem Regen und Sturm der vergangenen Tage wurden Kerzen und Kuscheltiere von draußen in eine Art Trauerecke in den Innenraum des Gebäudes gestellt. An den Holz-Sitzbänken der ehrwürdigen Kirche sind kleine schwarze Trauerbänder angebracht. Der Trauergottesdienst soll auch nach außen übertragen werden, falls nicht alle Menschen reinpassen. 

„Wir lernen wohl gerade das langsame Loslassen“, sagt der Pastor nachdenklich. Einen Abschluss werde es so schnell nicht geben können. Das Geschehene werde die Angehörigen, aber auch die ganze Stadt noch lange beschäftigen. Und es ist erst kurze Zeit vergangen. Fabian war am 10. Oktober verschwunden. Noch am Abend des gleichen Tages meldete ihn seine Mutter als vermisst. Tagelang suchten Hunderte Einsatzkräfte, per Hubschrauber, von Booten aus und mit Hunden nach dem Grundschüler.

Schockstarre in Güstrow

Zunächst war vermutet worden, der Junge habe am Tag seines Verschwindens zu seinem Vater fahren wollen, der getrennt von der Mutter südlich von Güstrow lebt. Suchhunde hatten Fabians Spur bis zum Güstrower Busbahnhof verfolgen können und nahe dem Wohnort des Vaters wiederaufgenommen, bevor sie sich wieder verlor. Auch Seen wurden abgesucht. Erst am Mittag des 14. Oktober schlug dann der Hund einer Frau in der Nähe der kleinen Gemeinde Klein Upahl etwa 15 Kilometer entfernt von Fabians Wohnort an. Sie meldete den Leichenfund der Polizei. Es war Fabian.

Bürgermeister Zimmermann berichtet von einer Art Schockstarre in Güstrow, als die Nachricht vom Tod Fabians bekanntgeworden sei. „Weil man nicht begreifen kann, warum so etwas passiert. Warum jemand einem Kind so etwas antut und ein Kind tötet.“ Es seien Kriseninterventionsteams in die Kinderhorte gegangen, die Fabian bis Anfang September noch besucht habe. 

Auch seien viele Bürger an ihn herangetreten und hätten gefragt: „Wie soll ich es meinen Kindern erklären?“ Er habe bei den Menschen oft eine Mischung aus Mitleid, Beileid über Trauer bis hin zu Wut und Angst festgestellt. Es sei aber auch eine große Solidarität mit der Familie entstanden. Zimmermann hofft, dass die Polizei in Ruhe ermitteln kann und auch zu einem Ergebnis kommt. „Dann hätte die Unsicherheit auch ein Ende.“

Unaussprechliches aussprechen

Sowohl der Bürgermeister als auch der Pastor waren in den vergangenen Wochen bundesweit als Interviewpartner gefragt. Eine schwierige Aufgabe, die beide gemeinsam angingen. Mit der Familie Fabians standen und stehen beide im Kontakt. Der Gottesdienst war auch der Familie ein wichtiges Anliegen. In der Pfarrkirche sei ein Ort gefunden worden, wo über das Unaussprechliche mal gesprochen werden könne, sagt der Geistliche. 

Und obwohl vielleicht die meisten, die zum Trauergottesdienst kommen eher kirchenfern sind, wagt der Pastor doch die Aussage, die trösten kann. Es sei eben wichtig, dass man in solchen Stunden nicht nur mit sich alleine sei, mit seinen Zweifeln, seinen Fragen und seiner Wut, sondern dass da hinein die Auferstehungsbotschaft der Bibel gesprochen wird. „Das ist alles ganz schrecklich. Das ist fürchterlich grausam, sodass wir das nicht in Worte fassen können. Aber Fabian geht es jetzt gut. Er ist bei Gott.“

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