Sie sind schon komische Käuze, die Eulen. Um kaum einen anderen Vogel ranken sich so viele Mythen und Legenden. Bei Eulen sind wir Menschen uns seit Jahrhunderten uneins.
Farbenfrohe Federkleider, grazile Körper, prächtige Schnäbel – nein, all das haben Eulen nicht. Die meisten der mehr als 200 Eulenarten weltweit sehen grau oder braun und ein wenig pummelig aus, hinzu kommt ein ausgeprägter Dickschädel. Nicht einmal singen können sie besonders schön. Und dann fliegen sie auch noch umher, wenn wir sie kaum sehen können, in der Nacht nämlich. Trotzdem: Schon seit jeher faszinieren Eulen Menschen in der ganzen Welt. Denn Eulen leben beinahe überall, in den Urwäldern ebenso wie in der Savanne. Zahl reiche Sagen, Mythen und Geschichten ranken sich um sie. Das liegt vermutlich daran, dass wir in ihren Gesichtern etwas entdecken, das uns ähnlich ist …
Schau mir in die Augen!
Im Gegensatz zu anderen Vögeln tragen Eulen ihre Augen nicht seitlich am Kopf, sondern nebeneinander, nach vorn gerichtet, so wie wir. Sie können uns also direkt in die Augen schauen. Niedlich, finden das die einen, stellen sich gar Eulenfiguren aus Plastik, Porzellan oder Plüsch in Vitrinen und Regale. Andere hingegen jagt der Blick der Eule fast ein wenig Angst ein. Denn Eulen schauen nicht – sie starren. Geht auch gar nicht anders. Eulen können nicht wie wir einfach zur Seite gucken, indem sie ihre Augäpfel nach rechts und links bewegen. Den Vögeln fehlen schlicht die Muskeln dafür.
Einfach mal den Kopf verdrehen wie Eulen
Um wegzusehen, müssen die Tiere den ganzen Kopf bewegen. Das wiederum können sie deutlich besser als wir – um 270 Grad nämlich. Versucht doch einmal, euren Schädel so weit nach links zu drehen, dass ihr über eure rechte Schulter schaut. Richtig, klappt nicht. Denn ihr habt ganz einfach nur halb so viele Halswirbel wie eine Eule. Zudem stauen die Vögel ihr Blut in speziellen Blutgefäßen, sodass auch bei der größten Halsverrenkung genug davon im Hirn ankommt.
Wahrhaft legendäre Tiere
Wegen ihres fast menschlichen, wachen Aussehens galten Eulen schon im antiken Griechenland als Symbol der Weisheit. Noch heute tauchen sie in vielen Logos von Schulen oder Bibliotheken auf – eben immer dann, wenn es um das Thema „Wissen“ geht. In einigen Regionen glaubt man, dass beim Ruf einer Eule ein Kind geboren wird. Wieder andere legen sich Eulenfedern unter das Kopfkissen, weil das für einen ruhigen Schlaf sorgen soll. Im Mittelalter allerdings hielten die Menschen vor allem Wald- und Steinkauz für sogenannte Totenvögel.
Lockvögel für die Toten
Tatsächlich tauchten sie oft dann auf, wenn ein Mensch im Sterben lag. Der typische Ruf der Waldkäuze – „Kuwitt, kuwitt“ – klang für die Menschen damals wie „Komm mit, komm mit“. Sie waren sicher, dass die Vögel die Toten damit ins Jenseits locken wollten. Dass sich die Eulen um die Trauernden scharten, lag aber vermutlich an etwas ganz anderem: Die Menschen hielten auch nachts Wache bei ihren sterbenden Angehörigen und hatten dazu Kerzen angezündet oder anders Licht entfacht. Davon fühlten sich Insekten angezogen, und die wiederum lockten die Eulen an, die sich Mücken und Motten schmecken ließen.
Lautlos im Sinkflug
Die Eule als Totenvogel ist also nur ein Aberglaube – zumindest für uns Menschen. Mäusen, Würmern, Insekten und anderen Kleintieren trachtet sie tatsächlich nach dem Leben. Und mit ihren besonders guten Augen, ihrem Gehör und ihren spitzen Krallen ist sie der perfekte Jäger. Besonders hinterlistig: Dank ihrer weichen Federn und den breiten Flügeln können Eulen fast lautlos durch die Luft gleiten, pfeilschnell zu Boden sausen und ihre Opfer so ohne jede Vorwarnung erwischen.
Bedrohte Jäger
Hierzulande allerdings müssen die Eulen selbst um ihr Leben fürchten. Die meisten der zehn heimischen Eulenarten stehen bereits auf der Roten Liste bedrohter Tiere. Weil wir Menschen Wälder und naturbelassene Gebiete immer stärker nutzen, etwa für die Landwirtschaft, gibt es zu wenige Baumhöhlen oder Steinbrüche, in denen die Tiere tagsüber Unterschlupf finden. Uhu und Habichtskauz galten in Deutschland sogar eine Zeit lang als ausgestorben. Inzwischen setzen sich viele Menschen für den Schutz der Eulen ein, errichten etwa Nistkästen, in denen die Vögel brüten können. Gut so! Denn im Wald machen sich Eulen besser als in jeder Glasvitrine.