Bundesregierung bleibt Völkermordsprozess in Namibia fern – Kritik der Linkspartei

Die Bundesregierung ist einem Gerichtsprozess in Namibia ferngeblieben, in dem es um die Aufarbeitung des Völkermords an den Herero und Nama während der deutschen Kolonialzeit geht. Das geht aus einer Antwort des Auswärtigen Amts auf eine Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Charlotte Neuhäuser hervor, die der Nachrichtenagentur AFP in Berlin vorlag. Neuhäuser kritisierte das Vorgehen der Bundesregierung.

In dem Prozess geht es um die zwischen der Bundesregierung und der Regierung Namibias vereinbarte Gemeinsame Erklärung aus dem Jahr 2021. Darin hatte die Bundesregierung anerkannt, dass man die Gräueltaten während der damaligen Kolonialkriege aus heutiger Sicht als Völkermord bezeichnen würde. Dies bedeutete eine historische, nicht jedoch eine völkerrechtliche Anerkennung des Genozids. Neben einer Entschuldigung wurde eine Wiederaufbauhilfe von 1,1 Milliarden Euro zugesagt, mit der alle finanziellen Fragen zu dem Sachverhalt abschließend geregelt werden sollten.

Diese Erklärung wurde damals von den Regierungen paraphiert, jedoch nie offiziell abgegeben, vor allem wegen Widerständen auf namibischer Seite. Aus Sicht der Bundesregierung handelt es sich ohnehin nicht um einen völkerrechtlichen Vertrag, sondern lediglich um eine politische Absichtserklärung. Vertreter der Volksgruppen der Herero und Nama kritisierten, nicht angemessen in die Verhandlungen einbezogen worden zu sein.

In dem aktuellen Verfahren, dem weitere Prozesse vorausgingen, geht es formal um die Frage, ob die namibische Regierung berechtigt war, der Erklärung ohne Einbeziehung des Parlaments zuzustimmen. Zu diesem Verfahren war die Bundesregierung für den Verhandlungstermin am 7. Oktober durch das Gericht zur Teilnahme aufgefordert worden. Ihre Nichtteilnahme begründete die Regierung auf die Linken-Anfrage hin damit, dass hoheitliches Handeln eines souveränen Staates nicht von einem anderen Staat oder dessen Gerichten überprüft werden könne.

„Die Bundesregierung versteckt sich hinter juristischen Schutzbehauptungen, statt ernsthafte Verantwortung für den ersten Völkermord im 20. Jahrhundert zu übernehmen“, sagte Neuhäuser AFP. „Sie zeigt zum wiederholten Male, dass sie die Stimmen der Nachfahren der Betroffenen nicht ernst nimmt.“ 

Bereits im Rahmen der zwischenstaatlichen Verhandlungen über das beklagte Versöhnungsabkommen von namibischer Regierung und deutscher Regierung seien die selbstgewählten Vertreter der Betroffenen ausgeschlossen worden, erklärte die Linken-Politikerin weiter. „Das Fortbleiben vor dem namibischen Gerichtshof unterstreicht, dass sie die Opfer weiter ausgrenzt und deren Stimmen nicht hören will.“ Neuhäuser sprach von einem „rassistischen Muster deutscher Verantwortungslosigkeit“ und forderte einen Neustart der Verhandlungen über eine Wiedergutmachung.

Namibia war von 1884 bis 1915 deutsche Kolonie. Aufstände der Herero und Nama schlugen die deutschen Kolonialtruppen brutal nieder. Später ordnete der damalige deutsche Gouverneur Lothar von Trotha die planmäßige Vernichtung der beiden Volksgruppen an – zehntausende Menschen starben. Auch die namibische Regierung hat von Deutschland als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reichs deswegen wiederholt Reparationsleistungen gefordert, unter anderem im Rahmen eines nationalen Gedenktages im Mai dieses Jahres.

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