Es ist Safe Abortion Day, der Internationale Tag der sicheren Abtreibung. Doch für Markus Söder und Teile der deutschen Politik sind Frauen nur eines: laufende Gebärmaschinen.
Es ist 2025. Und während wir Frauen an solchen Tagen wie dem Safe Abortion Day noch für unser Recht auf Selbstbestimmung kämpfen, reduzieren Sie, Herr Söder, uns Frauen nur auf das Geschlecht: „Ohne Auto, Maschinenbau und Chemie ist Deutschland eine Dame ohne Unterleib.“
Immerhin haben Sie sich inzwischen zu einer Entschuldigung durchgerungen – natürlich nicht ohne sich selbst auf die Schulter zu klopfen. Denn gleich danach rühmten Sie Bayern als „ziemlich geil“, da der Freistaat „alles für die Gleichberechtigung“ tue. Genau da liegt das Problem: Wer glaubt, eine Floskel und ein bisschen Eigenlob könnten frauenfeindliche Bilder entschärfen, zeigt, wie tief dieses Denken sitzt. Ihr Spruch ist kein Ausrutscher, er macht sichtbar, was Sie und Ihre konservativen Mitstreiter in CDU und CSU seit Jahrzehnten denken: Frauenkörper interessieren nicht – bis eine befruchtete Eizelle darin liegt.
Die Frau selbst hat in der Politik keinen Wert
Dabei gäbe es genug Baustellen, die Ihre Aufmerksamkeit verdienen würden. Hier zwei Beispiele: Jede dritte Frau in Deutschland wird mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von physischer oder sexualisierter Gewalt. Jede fünfte Frau ab 65 gilt als armutsgefährdet, bei den Männern derselben Altersgruppe sind es rund 15 Prozent.
Für diese Probleme interessiert sich die Union aber kaum. Zwar wurde in diesem Jahr doch endlich das Gewalthilfegesetz verabschiedet. Jetzt haben betroffene Frauen und ihre Kinder Rechtsanspruch auf Schutzplätze und Beratung. Nur: Das Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen (Istanbul-Konvention) trat bereits 2018 in Deutschland in Kraft. Deutschland bleibt weit hinter den Vorgaben zurück: 2022 fehlten über 13.000 Betten, mehr als 15.000 Frauen und Mädchen konnten nicht aufgenommen werden.
Sprechen wir lieber über ein erfolgreiches Projekt der CSU, Herr Söder: Ihre geliebte Mütterrente. Da können Sie sich jetzt aber wirklich mal richtig auf die Schulter klopfen, oder? Im Schnitt bekommt Frau hier knapp 107 Euro im Monat – drei Rentenpunkte. Kompensiert das annähernd die Leistung, die Mütter bei Kindererziehung und Haushalt erbringen? Ich denke nicht.
Vor allem verschleiert die Mütterrente aber ein viel größeres Problem: den Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern. Denn trotz Mütterrente unterscheiden sich Rentenansprüche von Männern und Frauen, im Alter von 60 Jahren um 32 Prozent. Warum? Weil Frauen unter anderem dafür bestraft werden, dass sie häufiger in Teilzeit arbeiten, um nach Feierabend kostenlos die Familie zu umsorgen. Und das ist auch der Grund, warum sie weniger befördert werden, ihre Karriere stagniert und entsprechend auch ihr Einkommen.
Aber klar: „Mütterrente“ macht sich als Schlagwort gut und taugt als Werbung für Frauen, die gefälligst fleißig Kinder gebären sollen. Doch wehe, Frauen wollen selbstbestimmt keine Kinder und ziehen sogar eine Abtreibung in Betracht – bei diesem Thema gehen Sie sogar gegen Ihre eigene Kirche vor.
Frauenkörper gelten als Staatsbesitz
Drohend erinnerten Sie, Herr Söder, die Kirchen Anfang dieses Jahres daran, dass sie sich stärker für den Paragrafen 218 und den Lebensschutz einsetzen sollten. Schließlich dürften sie „nicht vergessen, wer am Ende noch an der Seite der Institution Kirche steht – nicht, dass man irgendwann ganz plötzlich alleine steht“, notierte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“.
Es überrascht deshalb nicht, dass die Versorgungslage für Schwangerschaftsabbrüche in Bayern die schlechteste in Deutschland ist. Fast 20 Prozent der Menschen im Freistaat leben in einer Region, in der sie mehr als 40 Auto-Minuten zur nächsten Einrichtung fahren müssen, zeigt die aktuelle Elsa-Studie des Bundesgesundheitsministeriums. So sehr, wie Sie und die Union am Paragrafen 218 festhalten, ist Ihnen das wahrscheinlich noch nicht weit genug.
75 Prozent der befragten Ärztinnen und Ärzte, sprechen sich für die Streichung von Schwangerschaftsabbrüchen aus dem Strafgesetzbuch aus. 60 Prozent der Befragten fordern sogar, dass öffentliche Krankenhäuser zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen verpflichtet werden. Aber mir scheint, Sie wollen lieber, dass Frauen quer durchs Land fahren müssen, dass wir uns schuldig fühlen sollen.
Das Abtreibungsgesetz ist reinste Gewalt
„Sie wissen, dass Sie jetzt einen Mord begehen?“, fragte ein Arzt eine Betroffene, die 2021 im stern ihre Erfahrungen beim Schwangerschaftsabbruch schilderte. Sie war eine ungewollt schwangere Studentin, er nutzte seine Macht, um patriarchale Gewalt auszuüben. Der Abbruch selbst war unproblematisch, aber das Gefühl der Auslieferung blieb noch lange. Hinzu kommt die gesetzlich festgelegte Wartezeit nach der sogenannten Schwangerschaftskonfliktberatung: „Du musst noch drei Tage schwanger sein, wir bestimmen, was richtig für dich ist. Das ist reiner Paternalismus, das ist Gewalt“, so die Studentin damals im stern. Denn wer schwanger ist und nicht gebären will, ist schuldig – per Gesetz. Weil der weibliche Körper nicht als selbstbestimmt, sondern als Staatsbesitz gilt.
Natürlich sind nicht alle Ärztinnen und Ärzte so. Viele kämpfen selbst mit der Stigmatisierung durch den Paragrafen 218. Dennoch: Diese Erfahrung ist kein Einzelfall. Im Bereich der medizinischen Versorgung berichten drei Prozent der befragten Frauen, die eine ungewollt eingetretene Schwangerschaft ausgetragen haben, von ähnlichen Erlebnissen.
Ich habe keinen Kinderwunsch – bisher hatte ich Glück
Ich selbst habe solche Erfahrungen bisher nicht machen müssen. Keine Verhütungsmethode bietet hundertprozentigen Schutz, aber bisher hatte ich Glück. Dennoch kenne ich das Gefühl, nur auf meine Gebärfähigkeit reduziert zu werden. Im gleichen Atemzug, in dem mir die Verdachtsdiagnose Endometriose gestellt wurde, wies mich die Ärztin darauf hin, ich solle mit meinem Partner schnellstmöglich Kinder zeugen – man wisse ja nicht, wie rasch ich unfruchtbar werde. Ich habe keinen Kinderwunsch. Das hätte sie wissen können, hätte sie mich vorher gefragt.
Ein vollumfängliches Gespräch über die möglichen Auswirkungen der Krankheit hätte ich mir gewünscht, stattdessen wurde ich auf den drohenden Verlust meiner Funktion als Gebärmaschine reduziert. Aber macht nichts, ich bin ja bald auch nur wie die deutsche Industrie ohne Autos und Maschinenbau: wertlos.