Wandel: Das Beben in der Saar-Wirtschaft geht weiter

Bosch streicht 1.250 Jobs, ZF baut 1.800 Stellen ab, Ford stellt die Produktion ein – was bedeutet das für die Menschen im Saarland? Welche Chancen gibt es trotz aller Rückschläge?

Die schlechten Nachrichten in der saarländischen Wirtschaft reißen nicht ab. „Zurzeit sind es leider mehr Rückschläge“, sagt Hanno Kempermann, Geschäftsführer von IW Consult, Tochter des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln. Und betonte: „Das Saarland kann nichts dafür.“

Es sind die Folgen der bundesweit kriselnden Automobil- und Zulieferindustrie, die sich im Saarland besonders auswirkten. „Das Saarland hat immer noch die größte Abhängigkeit von der Automobilindustrie. Acht Prozent aller Beschäftigten arbeiten in der Branche“, sagt Kempermann. Das seien mehr als 30.000 Beschäftigte.

Überall werden Stellen abgebaut

So hat gerade der angekündigte Abbau von rund 1.250 Stellen beim Zulieferer Bosch bis Ende 2030 in Homburg das Saarland erschüttert. Die Nachricht folgt auf vorherige schlechte Nachrichten: Der Autozulieferer ZF baut bis Ende dieses Jahres in Saarbrücken 1.800 Arbeitsplätze ab, weitere Stellen könnten bis Ende 2028 zur Disposition stehen.

Auch beim Zulieferer Schaeffler in Homburg werden Stellen abgebaut. Und der US-Autobauer Ford stellt Ende November seine Produktion in Saarlouis ein. Das Problem sei, dass die großen Unternehmen ihre Headquarter woanders hätten und im Saarland nur die Werke seien, sagt Kempermann, zuständig für Regionalwirtschaft.

Er geht davon aus, dass es in der Branche noch weitere Jobstreichungen geben könnte. Bundesweit hätten Unternehmen bis 2030 bereits den Abbau von fast 100.000 Arbeitsplätzen im Automobilsektor angekündigt. Gründe seien Absatzschwierigkeiten und der zu langsame Wandel zur E-Mobilität. 

Saarlands Autozulieferer unter Druck

Der Geschäftsführer des Automotive-Netzwerks Autoregion im Saarland, Armin Gehl, sagt, es gebe auch Unternehmen in der Zulieferindustrie, „in denen läuft es rund“. Als Beispiel nennt er Nemak in Dillingen, die Motorblöcke gießen. Die Branche werde auch künftig existieren, wenn auch „in abgespeckter Form“. 

Er sieht das Hauptproblem in zu hohen Kosten: für Löhne, Energie und Produktion. Unternehmen verlagerten daher ihre Herstellung ins Ausland – etwa nach Ungarn. Der Wandel gehe weiter: Gehl prognostiziert, dass bis 2030 im Saarland zwischen 5.000 und 8.000 Arbeitsplätze durch Roboter ersetzt würden.

Kempermann sagt, eine fatale Entscheidung sei es vor rund zehn Jahren gewesen, dass die deutschen Zulieferer nicht in die Batterietechnologie eingestiegen seien. „Wenn wir die Batterie hier in Deutschland hätten, dann würden wir gar nicht diesen Beschäftigungsabbau sehen, den wir jetzt haben.“

Experte sieht Chancen fürs Saarland

Das Saarland mache sehr viel richtig, äußert Kempermann. Die Landesregierung gehe eifrig auf Investorensuche. „Die Ansiedlungsstrategie muss konsequent weitergehen und man darf sich nicht entmutigen lassen“, meint er auch mit Blick auf den US-Chiphersteller Wolfspeed, der den Bau einer Mega-Fabrik für Halbleiter in Ensdorf auf unbestimmte Zeit verschoben hatte.

Es gebe Autohersteller wie BYD und Toyota, die bis 2028 möglicherweise in Deutschland ein Werk aufbauen wollten. „Ich vermute, dass die Landesregierung des Saarlands das auch weiß“, sagt der Experte.

Wichtig sei, zudem die Potenziale im Land durch eine große Startup-Initiative besser zu nutzen. „Es gibt eine super Forschungslandschaft. In Richtung Digitalisierung und Cyber Security könnte das Saarland noch stärker werden.“ 

Neben Panzer- auch Drohnenbau?

Chancen sieht der Experte auch in der Rüstungsindustrie. In Freisen sind in jüngster Vergangenheit die Weichen für die Produktion des Patria-Transportpanzers vom Rüstungskonzern KNDS gestellt worden. Der neue Panzer soll den bisherigen Transportpanzer Fuchs ablösen. Läuft alles glatt, könnte es einen Milliardenauftrag für die Produktion von mehrere Tranchen des Panzers geben.

„Das ist eine positive Story“, sagt Kempermann. Man könne versuchen, dort die Digitalisierungskompetenz einzubringen – etwa, indem man auch Drohnen baut.

Bei der Umstellung der saarländischen Stahlproduktion auf grünen Stahl unterstütze die Bundesregierung den Hochlauf „der grünen Leitmärkte“ nicht konsistent. Bei dem teuren Stahl müsse man Nachfrage schaffen – zum Beispiel, indem man bei Ausschreibungen festlege, dass grüner Stahl verwendet werden muss.

Die Saarländer hätten schon öfter gezeigt, dass sie Transformation können. „Also weiter Kopf hochhalten und Gas geben“, sagt Kempermann. Das Beben in der Saar-Wirtschaft werde noch weitergehen.

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