Weniger Böhmermann im ZDF: „Das ist ein dramatisches Signal“

Das ZDF will wohl Jan Böhmermanns „ZDF Magazin Royale“ seltener senden. Kommunikationswissenschaftlerin Christine Horz-Ishak sieht darin ein Problem, das über Böhmermann hinausreicht.

Frau Horz-Ishak, wie der stern am Mittwoch meldete, will das ZDF offenbar Jan Böhmermanns Satiresendung „ZDF Magazin Royale“ seltener ausstrahlen – statt wie bisher 33 soll es im kommenden Jahr nur noch 20 Folgen geben. Die Meldung kommt wenige Tage nach der kurzzeitigen Absetzung der Late-Night-Show von Jimmy Kimmel in den USA. Sehen Sie Parallelen zwischen den beiden Fällen, oder sind sie nicht miteinander zu vergleichen?
Es lässt sich schwer beurteilen, ob die mögliche Kürzung im Fahrwasser der aktuellen Einschüchterung kritischer Moderatoren in den USA steht. Was allerdings aufhorchen lässt, ist der Zeitpunkt und der Kontext der Kürzungsabsichten. Just in dem Moment, als sich Kimmel kritisch zu Kirk und Trump äußert, soll in Deutschland der Sendungsrhythmus von Böhmermann verändert werden? Angesichts der Angriffe gegen die freie Meinungs- und Pressefreiheit wirft das Fragen auf. Das „ZDF Magazin Royale“ ist eine der wenigen Sendungen, die den Auftrag der vierten Gewalt noch ernst nimmt. Die den Regierenden auf die Finger schaut, nach Fehlentwicklungen und Verzerrungen sucht. Solche Sendungen sind immens wichtig, dafür wurde der öffentlich-rechtliche Rundfunk gegründet. Dieser hat eine Demokratiefunktion, und Böhmermann hat die wahrgenommen. Wenn die Sendung eingedampft wird, ist das ein dramatisches Signal.

Wie viel Druck lastet auf den öffentlich-rechtlichen Medien?
Die Öffentlich-Rechtlichen werden seit Längerem finanziell eingeschränkt. Der Reformstaatsvertrag hat dazu geführt, dass Sender zusammengelegt oder gar gestrichen wurden. Hinter den Sparmaßnahmen steht politischer Druck. Die Politik weicht zunehmend vor der AfD und ihrer Rhetorik zurück. Und die würde die Öffentlich-Rechtlichen am liebsten abschaffen.

Das klingt, als sähen Sie in der mutmaßlichen ZDF-Entscheidung nicht nur einen Schaden für die Öffentlich-Rechtlichen, sondern für die Demokratie. Ist das nicht ein wenig übertrieben? Abgesetzt wurde Böhmermann nicht, und Verhältnisse wie in den USA haben wir auch noch nicht. 
Die Entscheidung ist ein Warnsignal für den Status unserer Demokratie. Den öffentlich-rechtlichen Rundfunk schwächen, das ist eine Steilvorlage für politisch rechte Kräfte, die ihn sowieso nicht haben wollen. Das ist eine völlige Fehlentwicklung. Studien belegen, dass Öffentlich-Rechtliche wichtig für stabile Demokratien sind. Wir müssen nur auf Staaten wie Ungarn schauen. Da sieht man ja, wie schnell öffentlich-rechtliche Medien ausgehöhlt werden können. Wir bezeichnen diese Demokratien als illiberale Demokratien, die demokratische Institutionen und damit auch Presse und Fernsehen aushöhlen.  

Die Sendung von Jan Böhmermann war besonders bei jüngeren Zuschauern beliebt. Im September erzielte seine Show eine Quote von 19,2 Prozent in der Zielgruppe zwischen 14 und 49 Jahren.
Auch deswegen wäre eine Einschränkung der Sendung so fatal. Böhmermann hat fantastische Quoten, kaum eine andere Sendung erreicht so viele junge Menschen, weder bei den öffentlich-rechtlichen noch bei den privaten Sendern. Wenn man da kürzt, dann verliert man diese Leute. Und die kommen nicht mehr zurück.

Eine andere beliebte Sendung, die Umweltdoku-Reihe „Im Einsatz für …“ des Schauspielers Hannes Jaenicke, hat das ZDF ganz abgesetzt. Welche Kräfte wirken auf die Programmgestaltung des Senders ein? Wer entscheidet, was ins Programm kommt?
Da spielt einiges hinein: Wie gut funktioniert eine Sendung, wie richtet sich ein Sender aus? Ein wichtiges Entscheidungsgremium ist sicherlich der Rundfunkrat. Das ist das wichtigste Kontroll- und Beschlussorgan, das auch auf die Einhaltung der Programmgrundsätze achtet. Es setzt sich aus wichtigen gesellschaftlichen Gruppen zusammen. Und da stellt sich die Frage: Wie vielfältig ist dieser Rat? 

Ein Mitglied des Fernsehrates sagte dem stern, die Hälfte des Rates stehe hinter Jan Böhmermann. Aber es gebe auch viele konservative Kräfte, die den Journalisten so gar nicht mögen.
Auch im Rundfunkrat spiegeln sich die politischen Verhältnisse wider. Es ist nicht so, als säßen da keine Politiker oder Parteimitglieder. Und die organisieren sich mit anderen Vertreterinnen, die entweder auch so konservativ oder eben nicht so konservativ sind. Da sitzen Kirchenvertreter und Arbeitnehmervertreter, aber auch Gewerkschaftsmitglieder und Vertreter der LGBTQ-Communitymit je unterschiedlichen Interessen. Mitunter dominieren dann Interessengruppen die Mehrheitsverhältnisse und damit auch, in welche Richtung die Programmgestaltung geht.

Wie sehen Sie die Zukunft der öffentlich-rechtlichen Medien?
Die politischen Entscheider müssen verstehen, wie zentral diese Sender sind. Sie sind systemrelevant für den Erhalt unserer Demokratie. Diese Position vermisse ich aber. Etwa wenn Ministerpräsidenten auf einmal fordern, dass die öffentlich-rechtlichen Medien einfach nur sparen müssen. Der eigentliche Auftrag, zur demokratischen Meinungs- und Willensbildung beizutragen, scheint kaum noch eine Rolle zu spielen. Das ist ein Zurückzucken vor lautstarken Gruppen, die die Öffentlich-Rechtlichen einfach nur abschaffen wollen, mit dem Ziel, die Diskurshoheit zu erlangen. Wir brauchen das Gegenteil. Wir müssen die öffentlich-rechtlichen Medien verteidigen und den antidemokratischen Kräften etwas entgegensetzen. Denn eines müssen wir verstehen: Wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk weg ist, dann ist er weg. Und dann wird er auch nicht mehr wiederkommen. 

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