Sulaiman A. soll laut Urteil nach dem tödlichen Messerangriff auf den Polizisten Rouven Laur im Mai 2024 in Mannheim lebenslang ins Gefängnis. Der Afghane soll sich über Jahre radikalisiert haben.
Der Angriff dauerte nur wenige Minuten, doch Sulaiman A. zerstörte mit seiner Tat im Mai 2024 zahlreiche Leben: Er tötete den 29-jährigen Polizisten Rouven Laur, verletzte fünf Menschen teilweise schwer – und fügte damit auch deren Angehörigen unermessliches Leid zu. Nach dem tödlichen Messerangriff auf dem Mannheimer Marktplatz ist der Angeklagte zu lebenslanger Haft wegen Mordes verurteilt worden.
Das Oberlandesgericht Stuttgart stellte im Verfahren gegen den 26-jährigen Afghanen zudem die besondere Schwere der Schuld fest. Damit ist eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren praktisch ausgeschlossen. A. wurde auch wegen versuchten Mordes in vier Fällen sowie gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Angeklagter nahm Urteil ruhig auf
A. in weißem Hemd und Jacke, mit längerem Bart und kurzem Kopfhaar nahm das Urteil ruhig auf. Während der dreistündigen Begründung des Urteils blickte er vor sich auf seinen kleinen Tisch oder den Richter an. Bei seinem letzten Wort am Tag vor dem Urteil hatte er sich bei den Opfern des Angriffs und deren Angehörigen entschuldigt.
Die Eltern von Rouven Laur sowie eine der beiden Schwestern, Eve Laur, verfolgten den Vortrag des Richters zunächst ebenfalls ohne äußerliche Reaktionen. Die Mutter Petra Laur und ihr Mann Ralf Lauf hielten sich an den Händen. Nach bald zwei Stunden Urteilsbegründung verließ der Vater den Raum. Gegen Ende kamen der Mutter die Tränen.
Laut dem Vorsitzenden Richter verletzte A. bei dem Angriff auf dem Mannheimer Marktplatz am 31. Mai 2024 sechs Menschen mit einem Messer: fünf Teilnehmer einer Kundgebung der islamkritischen Bürgerbewegung Pax Europa (BPE) sowie den Polizisten Rouven Laur. Der Beamte starb zwei Tage später an seinen Verletzungen. Der damals 25-jährige Angreifer wurde von einem anderen Polizisten niedergeschossen.
Sulaiman A. soll sich über Jahre radikalisiert haben
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der sunnitische Muslim sich über Jahre vor der Tat radikalisierte und sich mit der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) identifizierte. Er habe nicht nur den Islamkritiker Michael Stürzenberger von der BPE töten wollen, sondern so viele Islamkritiker und „vermeintlich Ungläubige“ wie möglich. A. sei überzeugt gewesen, dass dies nicht nur legitim, sondern seine religiöse Pflicht sei. So habe er auch Polizisten als Repräsentanten des von ihm abgelehnten Staates mit seiner freiheitlich-demokratischen Grundordnung töten wollen.
A. habe mit seinem Angriff „innerhalb kürzester Zeit größtmöglichen Schaden anrichten wollen“, sagte der Richter. Mit dem erwarteten Einschreiten der Polizei habe der Muslim getötet werden wollen – und als Märtyrer ins Paradies gelangen. Eine eingeschränkte Schuldfähigkeit des Angeklagten wurde in dem Verfahren laut dem Richter nicht festgestellt. An insgesamt 31 Sitzungstagen wurden demnach 61 Zeuginnen und Zeugen sowie 15 Sachverständige gehört.
Angeklagter gestand die Tat und entschuldigte sich bei Opfern
Der Angeklagte hatte die Tat im Verfahren gestanden und Anzeichen von Reue gezeigt. Mit Blick auf ein Motiv verwies er auf den Gaza-Krieg, der 2023 begann und sein Leben verändert habe. Er soll sich auf Telegram mit einem Chatpartner ausgetauscht haben, der ihn in seinem Vorhaben bestätigt habe, Stürzenberger zu töten.
Der Vorsitzende Richter richtete sich mit emotionalen Worten zunächst direkt an die Familie von Rouven Laur. „Ihr Sohn stand für den Rechtsstaat, und er starb für ihn“, sagte Herbert Anderer. Kein Mitfühlen, kein Mittrauern und kein Urteil könnten die Not der Familie wiedergeben.
Familie Laur hat ihr Optiker-Geschäft geschlossen
Das Ehepaar Laur hat sein Optiker-Geschäft in Neckarbischofsheim (Rhein-Neckar-Kreis), dem Heimatort von Rouven Laur, mittlerweile geschlossen. Die Familie sei zu sehr belastet, um den Laden weiterzuführen, hieß es während der Plädoyers der Nebenklage. Innerhalb eines Monats nach dem tödlichen Angriff hatten Menschen allerdings allein auf der Internet-Plattform gofundme.com rund 600.000 Euro für die Familie gespendet.
Die Familie Laur wollte sich im Anschluss an das Urteil zunächst nicht äußern. Einer ihrer Anwälte, Thomas Franz, sagte allerdings: „Mit dem Schuldspruch sind wir sehr zufrieden.“ Seine Kollegin Julia Mende sprach von einem „Wechselbad der Gefühle“ für ihre Mandanten: Zum einen sei eine Erleichterung mit der Verkündung des Urteils eingetreten. „Auf der anderen Seite bleibt natürlich dieser unendliche Schmerz, den auch keine Strafe nehmen kann.“
Verteidigung zeigt sich ebenfalls zufrieden
Auch die Verteidigung äußerte sich positiv. „Wir sind zufrieden“, sagte der Anwalt Axel Küster. „Das ist das Maximale, was wir bekommen konnten.“ Das Wichtigste sei gewesen, eine anschließende Sicherungsverwahrung zu verhindern. Vermutlich würden sie nicht in Revision gehen.
Der Angeklagte war vermutlich mit elf Jahren aus Afghanistan geflohen. 2013 kam er nach Frankfurt und stellte laut Gericht einen Antrag auf Asyl. Dieser wurde abgelehnt. Es wurde allerdings ein Abschiebeverbot verhängt. Er war der Polizei vor der Tat nicht bekannt. Bis zur Tat hatte A. mit seiner Frau und den zwei kleinen Kindern im hessischen Heppenheim gelebt – rund 35 Kilometer nordöstlich von Mannheim.
Tat löste politische Debatte über Abschiebungen aus
Die Tat löste eine Diskussion über die Abschiebung ausländischer Straftäter aus. Kurz danach kündigte die damalige Ampel-Regierung an, Abschiebungen von Schwerstkriminellen auch nach Afghanistan wieder möglich zu machen. Seither fanden allerdings nur zwei Abschiebeflüge mit Straftätern nach Afghanistan statt.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft forderte nach dem Urteil klare gesetzliche Regelungen, um Schwerstkriminelle auch nach Afghanistan zurückführen zu können. Bundesvorsitzender Rainer Wendt sagte laut einer Mitteilung: „Die Polizei steht tagtäglich im Dienst der Gesellschaft und darf nicht zum Ziel extremistischer Gewalt werden.“