Träume: Was passiert nachts in unseren Köpfen?

Einfach ein Traum: Der Eintritt ist frei, das Filmprogramm Nacht für Nacht eine Überraschung. Wir haben einen Experten gefragt, was bei der Träumerei im Gehirn passiert. 

Drrring, der Wecker klingelt. Aus dem Bett klettern, ins Bad schlurfen, Licht anknipsen. Doch was ist das? Auf dem Klodeckel hockt – ein Monster! Groß, grau, gruselig, mit langen, spitzen Zähnen. Es knurrt, setzt zum Sprung an – da schlagen wir die Augen auf. So ein Glück, alles nur geträumt!

Im Mittelalter glaubten die Menschen, schlechte Träume wie dieser würden ihnen von fiesen Elfen eingebrockt. Elfen nannte man damals Alben, daher kommt das Wort Albtraum. Heutzutage wissen wir: Egal ob lustig, irrsinnig oder zum Fürchten, für den nächtlichen Unfug in unseren Köpfen ist das Gehirn verantwortlich. „Die Regionen, die für Vernunft und Logik zuständig sind, arbeiten im Schlaf nicht“, erklärt der Traumexperte Stefan Klein. Der ist Wissenschaftsjournalist und hat ein Buch über Träume geschrieben. „Deshalb können in Träumen die unwahrscheinlichsten Dinge passieren, ohne dass wir uns darüber wundern.“ Wie über Monster auf Klodeckeln.

Während die Logik also ein Nickerchen macht, hat die Fantasie in unserem Oberstübchen sturmfreie Bude: Sie mixt aus allem, was wir irgendwann einmal gesehen oder erlebt haben, neue Bilder und Geschichten zusammen, die wie Filme vor unserem inneren Auge ablaufen. Die Hirnteile, die für Gefühle zuständig sind, arbeiten dabei auf Hochtouren. Deshalb ängstigen uns schlechte Träume oft mehr als jeder Horrorfilm – und bleiben uns hartnäckig im Kopf.

Mit Schrecken aufgewacht – aber es war zum Glück nur ein Traum
© princessdlaf

„Tatsächlich sind 80 Prozent der Träume, an die wir uns erinnern, unangenehm“, bestätigt Stefan Klein. „Das liegt aber nur daran, dass wir aus schweren Träumen öfter erwachen. Und wenn wir voll Angst oder Ärger aus dem Schlaf hochfahren, bleiben uns diese Gefühle natürlich im Gedächtnis.“ Dabei erleben wir nachts genauso viel Schönes. „Aber wenn wir einen Traum haben, in dem wir glücklich sind, schlafen wir einfach weiter – und am nächsten Morgen ist er vergessen“, sagt der Wissenschaftler.

Damit wir die Luftsprünge, die wir im Traum vollführen, nicht in Wirklichkeit machen, liegt unser Körper schlapp und schlaff im Bett. In manchen Schlafphasen sind sogar fast alle Muskeln gelähmt – nur lebenswichtige wie Herz und Atemmuskulatur arbeiten weiter. Fleißig in Bewegung sind aber auch die Augäpfel: Diese gleiten unter den Lidern hin und her und verfolgen das Traumgeschehen. Forscher nennen das „Rapid Eye Movement“, kurz REM, das bedeutet „schnelle Augenbewegungen“. In dieser Schlafphase geht es in unserem Kopfkino besonders lebhaft zu. Doch auch für die anderen Phasen gilt: „Schlafen heißt fast immer träumen“, erklärt Stefan Klein. „Wir verbringen also gut ein Drittel unseres Lebens im Traum.“

Menschen rätseln schon lange zur Bedeutung des Träumens

Bloß: Wozu ist der ganze Spuk überhaupt gut? Darüber grübeln die Menschen schon lange. In der Antike dachte man zum Beispiel, über Träume vermittelten Götter den Menschen ihre Botschaften.

Traumexperte Stefan Klein hat eine andere Erklärung: „Wir müssen träumen, weil unser Gehirn so kompliziert ist. Nach einem ereignisreichen Tag gleicht es einer unordentlichen Küche, die aufgeräumt werden muss.“

Im Traum verarbeiten wir Dinge die uns beschäftigen
© Tatiana Maksimova

Genau das passiert im Schlaf. Das Gehirn verarbeitet die Erlebnisse des Tages. Und dabei lernen wir sogar. „Träume sind wie ein Computerspiel, in dem wir für unser waches Leben trainieren.“ Auch deshalb ist es wichtig, vor einer Prüfung gut zu schlafen: Labortests beweisen, dass viele Menschen schwierige Aufgaben im Traum durchspielen – und hinterher bessere Testergebnisse haben.

Außerdem erzählen Träume etwas über uns selbst, sagt Stefan Klein: „Sie zeigen, was uns gerade bewegt. Oft ist uns das tagsüber gar nicht bewusst.“ Wenn wir zum Beispiel glücklich aus einem Traum erwachen, in dem wir einen alten Freund wiedergetroffen haben, wird uns plötzlich klar, wie sehr wir ihn vermissen – und dass wir ihn endlich mal besuchen sollten.

Auf nächtliche Begegnungen mit Monstern und anderen finsteren Gestalten würden wir hingegen wohl alle lieber verzichten. Stefan Klein hat da einen wertvollen Tipp: „Gegen Albträume, die sich wiederholen, hilft eine einfache Übung: Man spielt den Traum im Kopf noch einmal durch. Sobald es bedrohlich wird, sagt man: ,Stopp!‘ und erfindet ein neues, gutes Ende. Wer das oft genug macht, erlebt das Happy End auch im Schlaf.“

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