morgen|stern: Was haben wir eigentlich noch zu melden? Die Lage am Morgen

Indiens Mittelfinger in Richtung USA, Friedrich Merz muss zum Reformer werden und warum so viele junge Männer beim Baden verunglücken. Das ist heute wichtig. 

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

es ist fast schon ein ausgestreckter Mittelfinger, den Indiens Premierminister zuletzt an den US-Präsidenten sendete. Vier Versuche soll Donald Trump in den vergangenen Wochen unternommen haben, um Narendra Modi zu erreichen, doch ging der nicht mal ans Telefon. So berichtete es die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“.  

Lieber enschied sich Modi dafür, nach China zu reisen, wo seit gestern und heute noch das Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) stattfindet. Es ist ein erstaunlicher Besuch in China, der erste in sieben Jahren, schließlich sind die chinesisch-indischen Beziehungen eigentlich angespannt, seit es im Jahr 2020 zu einem tödlichen Zusammenstoß entlang der umstrittenen Himalaya-Grenze kam. 

Doch der von Trump losgetretene Zollkrieg hat Indien empört – und könnte dazu führen, dass sich die derzeit fünftgrößte Wirtschaftsmacht nachhaltig anderswo orientiert, genauer: an der weltweit zweitgrößten Wirtschaftsmacht China. Sie seien Partner, keine Rivalen, sagte der chinesische Herrscher Xi Jinping nach dem gemeinsamen Treffen am Sonntag.

China, Indien, Russland und Co.: Was haben wir noch zu melden?

Auch wenn das SOZ-Bündnis in der Vergangenheit nicht immer eine gemeinsame Linie fand: Für Xi, der sich als Weltenherrscher inszeniert, ist es ein machtvolles Zeichen, dass er sich bei dem Treffen in der nordchinesischen Hafenstadt Tianjin auch mit Indien an seiner Seite präsentieren kann. 

Putin mit Xi und dessen Frau: Auch der russische Machthaber ist nach Tianjin gereist. Putin bleibt mehrere Tage in China, am Mittwoch ist er Gast bei einer riesigen Militärparade in Peking.
© IMAGO/Sergey Bobylev

Immer wieder betonen die Mitgliedsländer das Ziel einer „multipolaren“ Weltordnung, sie beklagen eine Dominanz durch die USA und ihre Verbündeten und fordern eine breitere Teilung der internationalen Macht. 40 Prozent der Weltbevölkerung vereint die SOZ. Zu dem 2001 unter anderem von China und Russland gegründeten Bündnis kamen in der Zwischenzeit einige Länder dazu, etwa Indien, Pakistan, der Iran und Belarus. 

Auf den ersten Blick fällt auf, dass sich in ihren Reihen zahlreiche autokratische Regime finden. Die polnisch-amerikanische Historikerin und Osteuropa-Expertin Anne Applebaum hat bereits vor einem Jahr im stern-Interview erklärt, was viele der Länder also auch mit dem Wort „multipolar“ meinen dürften: eine Welt, in der die Bürgerinnen und Bürger keine Rechte haben, in der größere Länder in kleinere einmarschieren können. Jedenfalls sei klar, was Putin unter „Multipolarität“ verstehe, sagte Applebaum: „Dass er sich auch außerhalb Russlands so aufführen kann wie in Russland.“

Der 5-Minuten-Talk ist wieder da: Macht Merz den Schröder?

Ein untrügliches Zeichen, dass sich der Sommer langsam dem Ende neigt: Unser wochentäglicher 5-Minuten-Talk ist aus der Sommerpause zurück! Ab heute können Sie wieder immer montags bis freitags fünf knackige Minuten zum wichtigsten politischen Thema des Tages hören.

Im politischen Berlin reden zurzeit alle vom „Herbst der Reformen“, damit gemeint: der Umbau der Sozialsysteme. Ob das gelingt, hängt auch von einer großen Frage ab: Ist Kanzler Merz wirklich bereit, für notwendige Reformen seine eigene Kanzlerschaft zu riskieren? Anders gesagt: Wie viel Gerhard Schröder steckt in Friedrich Merz?

Warum so viele junge Männer beim Baden verunglücken

Jeder, der beim sommerlichen Badesspaß ertrinkt, ist einer zu viel. 236 Menschen sind bis zum 31. Juli 2025 in Deutschland ertrunken. Zwar sind das weniger Menschen als im selben Zeitraum des Jahres zuvor – doch geht das offenbar vor allem darauf zurück, dass der Juli dermaßen verregnet war. 

Interessant ist dabei eine erstaunlich hohe Zahl beim Blick auf die jüngeren Opfer: 97 Prozent der 49 Verunglückten zwischen elf und 30 Jahren waren männlich. Leichtsinn, Übermut, zuweilen auch Alkohol spielten gerade bei den jüngeren Opfern eine große Rolle schreibt Christoph Koch – denn viele der Verunglückten sind Nichtschwimmer. Helfen würde da wohl vor allem eines: Die Schulen so aufzustellen, dass dort jede Schülerin und jeder Schüler das Schwimmen lernt.

Und sonst? Weitere Schlagzeilen

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Das passiert am Montag, dem 1. September

Bundeskanzler Merz kommt zum offiziellen Antrittsbesuch bei der nordrhein-westfälischen Landesregierung ins historische Rathaus von MünsterIn der Bundesliga läuft der letzte Tag der Transferperiode. Bei vielen Clubs der 1. und 2. Fußball-Bundesliga dürfte es heute noch turbulent werden

Unsere stern+-Empfehlung des Tages

Fühlen Sie sich auch gerädert, wenn Sie nachts nicht auf acht Stunden Schlaf kommen? Damit wären Sie nicht alleine: „Acht Stunden, so lautet schließlich das allgemein verbreitete Mantra, sind ideal. Wer das Schlafziel verfehlt, kann nicht ausgeruht sein“, schreibt Miriam Eichhorn-Zachariades. 

Doch habe die Vorstellung, dass wir acht Stunden Schlaf benötigen, ihre Wurzeln „keineswegs in der menschlichen Biologie, sondern in der kapitalistischen Arbeitswelt.“ Menschen in der Vormoderne schliefen oft sogar ganz anders, nicht am Stück, sondern in zwei Phasen. 

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Ich wünsche Ihnen eine gute Woche!

Herzlich, 

Lisa Becke

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