Neue Beweise: Wendung im Prozess gegen Polizisten unter Kinderpornografie-Verdacht

Als Polizist war er an Schulen für Prävention zuständig, nun ist er angeklagt wegen Besitzes von Kinderpornografie. Am Montag sollte ein Urteil fallen. Eigentlich.

Im Saal 169 des Landgerichts Lübeck werden Fotos an die Wand projiziert, auf denen missbrauchte Kinder und Jugendliche zu sehen sind. Eines der Kinder – das Geschlecht ist nicht erkennbar – liegt zwischen zwei Erwachsenen im Bett, eingeklemmt zwischen ihnen. Hinter dem Kind befindet sich ein Mann. Das Kind wirkt, als stamme es aus Asien. Wo auf der Welt wurde es missbraucht?

Auf einem weiteren Foto ist ein junges Mädchen zu sehen, kein Kind mehr, noch keine Frau. Es ist nackt und reckt sich. Wer hat dieses Mädchen dazu gezwungen, sich so vor der Kamera zu präsentieren? Die Antwort bleibt offen. 

Fest steht nur: Die Fotos wurden auf dem Handy eines Polizeibeamten gefunden, der in Schleswig-Holsteins Schulen als Präventionsbeauftragter tätig war, um Kinder und Jugendliche vor Kriminalität zu schützen. Ob er diese Bilder bewusst herunterlud oder sie automatisch gespeichert wurden, ist unklar. Der stern berichtete darüber.

Der Polizeibeamte muss sich derzeit vor dem Landgericht Lübeck wegen Besitzes von Kinder- und Jugendpornografie verantworten. In erster Instanz hatte ihn das Amtsgericht Eutin im Februar 2025 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung verurteilt. Diese Strafe würde zur Entlassung aus dem Polizeidienst führen. Gegen das Urteil hat er Rechtsmittel eingelegt. Er will Polizist bleiben.

Im Prozess steht die zentrale Frage im Raum, ob der Beamte wusste, dass er solche Bilder herunterlud – ob er also vorsätzlich handelte.

Die Staatsanwältin sagt, im geknackten Tresor liege Kinderpornografie

Eigentlich sollte an diesem Montag das Urteil verkündet werden. Doch es kommt zu einer überraschenden Wendung: Dem Landeskriminalamt ist es gelungen, einen Tresor – also eine App, mit der der Angeklagte offenbar Fotos verschlüsselte – zu knacken. Möglich wurde dies durch neue Software, die vor einigen Monaten noch nicht verfügbar war. Ein LKA-Informatiker erklärt vor Gericht, dass Dateien nur dann in solche Tresore gelangen, wenn jemand sie aktiv dort hineinlegt.

Nach erster Durchsicht fanden sich in der App zahlreiche pornografische Dateien, darunter auch Tierpornos. Die Dateien müssen noch ausgewertet werden, um festzustellen, ob ihr Besitz strafbar ist. 

Für den Richter ist die Gefährderansprache „das Hauptproblem“ 

Die Staatsanwältin hat schon erste Bilddateien gesehen, die vom „Tresor“ stammen. Es sei Kinderpornografie darunter, sagt sie. Sie will diese neuen rechtlichen Erkenntnisse jetzt würdigen und weitere Zeugen vernehmen lassen. 

Die Verhandlung an diesem Montag kommt unterdessen nur mühsam voran. Es geht um technische Details, die für Laien – zu denen sich auch der Richter zählt – schwer verständlich sind. „Entschuldigen Sie, dass ich frage wie ein Blödmann“, sagt er zu dem IT-Forensiker des Landeskriminalamts, der als Zeuge aussagt. Laut den Ermittlungen wurden vom Rechner und Handy des Polizisten zahlreiche Pornoseiten aufgerufen, darunter „Teenloversclub“. Es wurden Fotos heruntergeladen, auch illegale. Doch bleibt die Frage: Wusste der Polizist, dass er diese Bilder lud? Wollte er sie besitzen?

Der Richter lässt erkennen, dass er Zweifel daran hat, ob der Besitz nachgewiesen werden könne. Technisch ist es tatsächlich möglich, beim Surfen im Internet kinderpornografische Bilder unbemerkt im Cache des Browsers zu speichern. Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass nur der bewusste und gewollte Besitz strafbar ist. Darauf stützt sich auch die Argumentation des Verteidigers. 

Der IT-Forensiker des LKAs sagt jedoch, der Rechner des Polizisten sei sehr gut konfiguriert gewesen – auch gegen Pop-Ups, also gegen Fenster, die sich eigenständig öffnen. Er hält es daher für unwahrscheinlich, dass dem Polizisten Bilder „untergejubelt“ worden seien. 

Die Beweislage ist so schwierig, weil die Staatsanwaltschaft eine Gefährderansprache beim Angeklagten angeregt hatte. „Das ist das Hauptproblem, dass die Durchsuchung nach der Gefährderansprache erfolgte und Teile gelöscht waren“, sagt der Richter. Erst durch diese Ansprache wurde der Polizist gewarnt und konnte mutmaßlich einen Großteil der Daten löschen – darunter offenbar auch den „Tresor“, der jetzt doch noch geknackt worden ist. 

Die Verhandlung wird am 22. Juli fortgesetzt. 

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