Staatsgemäldesammlungen: „Schatten auf Staatsgemäldesammlung“ – Krise und Hoffnung

Die Staatsgemäldesammlungen sind im Umbruch. Berichte über Missstände und Probleme erschütterten das Haus vor einigen Monaten. Nun liefert ein Bericht Details zu Untersuchungen.

Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen erleben unruhige Zeiten. Fehlende Transparenz beim Umgang mit NS-Raubkunst und Missstände wurden angeprangert. Der langjährige Generaldirektor musste gehen und umfangreiche Untersuchungen wurden angestoßen. Ein Zwischenbericht nennt nun Details zu Vorwürfen wie verbale sexuelle Belästigung von Besucherinnen, Gefährdung von Kunstwerken oder Überwachung von Beschäftigten. Straf- oder disziplinarrechtlich relevante Verfehlungen seien aber bislang nicht festgestellt worden, heißt es in dem Schreiben an den bayerischen Landtag. 

Bei der Staatsanwaltschaft München I seien derzeit keine Ermittlungsverfahren gegen aktuelle oder ehemalige Beschäftigte anhängig, präzisiert Kunstminister Markus Blume (CSU) in dem 18-seitigen Papier. Auch die Landesanwaltschaft sehe bislang keine Veranlassung, Disziplinarverfahren einzuleiten. Museen in ganz Bayern gehören zu den Staatsgemäldesammlungen, darunter die berühmten Pinakotheken in München. 

Belästigung und unangemessenes Verhalten

Der Zwischenbericht gibt einen Überblick über Beschwerden, die es in vergangenen Jahren gab. Vor allem in der Alten Pinakothek sollen sich Aufsichtspersonen unangemessen verhalten haben. Besucherinnen und Besucher nannten unter anderem sexuelle Belästigung durch Worte, aber auch Verhaltensweisen, die als rassistisch, bedrängend oder distanzlos empfunden wurden. Auch Minderjährige sollen sich gemeldet haben. Strafanzeigen seien aber nicht bekannt. 

Das Aufsichtspersonal, um das es ging, war dem Bericht zufolge für externe Sicherheitsdienste tätig und wurden nach Bekanntwerden der Vorwürfe nicht mehr in den Staatsgemäldesammlungen eingesetzt. 2021 habe man zusätzliche Stellen geschaffen und mehr eigenes Personal eingesetzt. Die Zahl der Beschwerden habe sich verringert. 

Ein weiterer Vorwurf: Kunstwerke sollen unsachgemäß gelagert oder behandelt und so Risiken wie Schäden oder gar Diebstahl ausgesetzt worden sein. Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdung ergaben die Untersuchungen Blume zufolge aber nicht. Soweit feststellbar, seien keine Kunstwerke aus Depots oder Ausstellungsräumen verloren gegangen oder beschädigt worden.

Großer Tanker in schwerer See

Die Missstände waren Mitte Februar durch Presseberichte bekanntgeworden. Dabei ging es zunächst vor allem um den Umgang der Sammlung mit möglicher NS-Raubkunst, also Werken, die jüdischen Eigentümern im Nationalsozialismus weggenommen oder unter Zwang abgepresst wurden. Die Prüfung solcher Verdachtsfälle wurde als intransparent und schleppend kritisiert, sogar von Vertuschung war die Rede.

Anfang April musste Generaldirektor Bernhard Maaz gehen, sein Nachfolger ist seitdem der Jurist Anton Biebl – allerdings nur vorübergehend. Der frühere Münchner Kulturreferent trat ein diffiziles Erbe an, auch weil er die staatlichen Museen zusätzlich als Change Manager insgesamt voranbringen soll. „Es ist schwierig, eine Museumsoffensive zukunftsorientiert zu betreiben, wenn man so einen großen Tanker wie die Staatsgemäldesammlung in schwerer See hat“, sagte Biebl der dpa. 

Opposition: Vertuschen geht munter weiter

Die Landtags-Grünen zeigten sich vom Zwischenbericht enttäuscht. „Statt echter Aufklärung geht das Verschleiern und Vertuschen munter weiter“, bemängelte die kulturpolitische Sprecherin Sanne Kurz (Grüne). Die Opposition habe frühzeitig konkrete Vorschläge für eine unabhängige Aufarbeitung gemacht – „allesamt abgelehnt“. Fälle, die dem Ministerium seit Jahren bekannt seien, würden nicht angepackt, die angekündigten Maßnahmen hätte man längst auf den Weg bringen können. „Das zeigt einmal mehr, dass der Staatsregierung nicht an echter Transparenz und Aufarbeitung gelegen ist.“ 

200 neue Werke in Lost Art

Minister Blume spricht von „innerorganisatorischen Defiziten“ und hat der renommierten Institution einen Neuanfang verordnet. Interne und externe Untersuchungen sollen Klarheit bringen, ein Runder Tisch und eine Reformkommission Ideen für die Zukunft entwickeln. 

Das Ziel: Vertrauen zurückgewinnen und transparent arbeiten, vor allem bei der Debatte um die Rückgabe von NS-Raubkunst. Nach Blumes Angaben haben die Staatsgemäldesammlungen seit Februar mehr als 200 Werke in die Datenbank Lost Art eingestellt. Frühere Eigentümer und deren Erben können hier nach geraubten Kunstobjekten suchen, damit sie diese zurückfordern können. Die Sammlung war dafür kritisiert worden, viel zu wenig ihrer Werke mit Raubkunst-Verdacht eingestellt zu haben. 

Welche Versäumnisse es hier gab, dazu läuft eine externe Untersuchung zur Provenienzrecherche unter Leitung der Kunsthistorikerin Meike Hopp. Nach Angaben Biebls will sie noch im September zu einem Ergebnis kommen. 

Verhaltenskodex und Vertrauensverlust

Der Interimschef bemüht sich indes um ein gutes, offenes Betriebsklima. Es werde ein Verhaltenskodex entwickelt zu Themen wie Machtmissbrauch, Grenzüberschreitung bis hin zu sexueller Belästigung. „Diese ganzen Sachverhalte haben einen Schatten auf die Staatsgemäldesammlung geworfen. Wenn ich mit Kolleginnen und Kollegen rede, sagen sie, dass sie national und international darauf angesprochen werden“, sagt der Jurist. „Aber ich habe das Gefühl, dass wir Vertrauen zurückgewonnen haben.“

Offen ist auch die Frage, wie die Staatsgemäldesammlungen künftig geführt werden – mit einer künstlerischen und kaufmännischen Doppelspitze wie viele andere Kulturinstitutionen? Ein Thema von vielen für die Reformkommission, die laut Biebl im Januar Empfehlungen abgeben soll. Er fühlt sich als Jurist zwar gut gerüstet für die derzeit anstehenden Aufgaben des Reformprozesses. Aber: „Ich werde mich in den künstlerischen Prozess nicht einmischen.“ Da gebe es Fachleute. „Deswegen hört man ein gewisses Plädoyer für eine Doppelspitze bei mir heraus!“

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