Hollywood-Chamäleon: Filmstar mit markanten Furchen – Willem Dafoe wird 70

Auf der Leinwand ist Willem Dafoe zigmal gestorben: In „Die letzte Versuchung Christi“ wird er gekreuzigt, in dem Kriegsfilm „Platoon“ erschossen. Doch der Star dreht mit 70 Jahren pausenlos weiter.

Als Willem Dafoe im vorigen Jahr seinen Stern auf Hollywoods „Walk of Fame“ enthüllte, ging der Schauspieler strahlend zu Boden und küsste die Plakette. Als Kind in einer Kleinstadt in Wisconsin hätte er sich so eine Ehre nie vorstellen können, schaute der Star zurück. Er liebe es einfach, Teil der Film-Community zu sein, Geschichten zu erzählen und Menschen dadurch zu verbinden. Diesen Traumberuf übt er mit 70 Jahren immer noch aus. An diesem Dienstag (22. Juli) hat er runden Geburtstag.

Zu der Zeremonie am „Walk of Fame“ brachte Dafoe damals zahlreiche Freunde und Kollegen mit, darunter Patricia Arquette, Mark Ruffalo, Pedro Pascal, Guillermo del Toro und den deutschen Regisseur Wim Wenders. Er schätze sich glücklich, Wenders zu kennen, sagte Dafoe in seiner Ansprache. Seine Filme hätten einen großen Einfluss auf sein Leben gehabt. Wenders hatte Dafoe 1993 für seinen Spielfilm „In weiter Ferne, so nah!“ vor die Kamera geholt.

Mit Italienerin verheiratet

Dafoe posierte auch mit seiner zweiten Ehefrau, der italienischen Filmemacherin Giada Colagrande, auf der Sternenplakette. Sie habe ihm beigebracht, dankbar zu sein, sagte der Schauspieler, der teils in New York, teils nahe Rom lebt.

Für ein Interview zu seinem 70. Geburtstag habe er wegen seines vollen Terminkalenders leider keine Zeit, teilte Dafoes Sprecherteam auf Anfrage der dpa mit. Der Star steht pausenlos vor der Kamera.

Mehr als 120 Filme hat der Charakterdarsteller seit den frühen 1980er Jahren gedreht, darunter „Platoon“, „Van Gogh – An der Schwelle zur Ewigkeit“ und „Spider-Man“. Zuletzt spielte er in Filmen wie „Asteroid City“, „Poor Things“, „Kinds of Kindness“, „Nosferatu – Der Untote“, „Die Legende von Ochi“ und „Der phönizische Meisterstreich“ mit. 

Ein „ausdrucksstarkes“ Gesicht

Hollywood legt ihn häufig auf Schurken- und Außenseiterrollen fest. Dafür hat er das passende Gesicht: Tiefe Furchen, ein breiter Mund, die auffällige Zahnlücke, das ausgeprägte Kinn und die tiefe Stimme sind sein Markenzeichen. Ob er jemals dazu gedrängt wurde, sein Gesicht mit Botox oder anderen Mitteln für eine Rolle Hollywood-gerecht zu verändern, wurde Dafoe im vorigen Dezember von dem Entertainment-Portal „Vulture.com“ gefragt. Das sei nie passiert. „Sie erwarten kein Hollywood-Lächeln, wenn sie mich casten“, sagte Dafoe. Er habe ein „ausdrucksstarkes“ Gesicht, das man in Ruhe lassen sollte. 

Er würde sein Gesicht nicht „zensieren“, sondern es stattdessen machen lassen, was es wolle, betonte Dafoe 2024 in einem Interview mit dem Filmportal „Variety“. Seine Mimik sei zu „recht extremen Dingen“ fähig, setzte er grinsend hinzu. 

Mit diesem Gesicht schaffte es das Kind einer zehnköpfigen Familie aus dem ländlichen Wisconsin erst auf die Theaterbühne, dann vor die Filmkameras. Häufig spielt er durchtriebene, undurchsichtige Charaktere. 

In der Komödie „Grand Budapest Hotel“ (2014) ist er der Bösewicht, in dem Holocaust-Drama „Ein Leben für ein Leben – Adam Resurrected“ (2008) der sadistische KZ-Kommandant, in „Shadow of the Vampire“ (2000) der blutrünstige Vampir. Diese Rolle als der düstere Max Schreck brachte Dafoe seine zweite Oscar-Nominierung als bester Nebendarsteller ein, die erste hatte er sich mit „Platoon“ (1986) verdient. 

Der Oscar fehlt ihm noch

Weitere Nominierungen folgten für seine Nebenrolle als väterlicher Hausmeister in dem Independentstreifen „The Florida Project“ (2017) und für seine meisterhafte Hauptrolle als der Maler Vincent van Gogh in dem Drama „Van Gogh – An der Schwelle zur Ewigkeit“ (2018). Doch bisher hat er keinen Oscar gewonnen.

Die Berlinale ehrte den Hollywood-Star 2018 für sein Lebenswerk. „Regisseure wollen eine Geschichte erzählen und brauchen mich als Schauspieler, um ihre Idee umzusetzen“, sagte Dafoe auf der Bühne in Berlin. Wenn er vor der Kamera stehe, fühle er sich „wie eine Farbe auf einem Gemälde“.

Riskante Rollen

Dafoe scheut nicht vor expliziten Sexszenen und kontroversen Stoffen zurück. Schon drei Mal wagte er sich vor die Kamera des dänischen Enfant terrible Lars von Trier, darunter für das Sex-Drama „Nymphomaniac“ (2013) und für den Psycho-Schocker „Antichrist“ (2009). In Abel Ferraras „Pasolini“ spielte er 2014 den italienischen Skandalregisseur Pier Paolo Pasolini. In dem düsteren Psychodrama „Der Leuchtturm“ (2019) von Regisseur Robert Eggers verwandelt er sich in einen Leuchtturmwärter, der langsam dem Wahnsinn verfällt. 

Eggers holte ihn auch für den Horrorfilm „Nosferatu“ (2024) in der Rolle des kauzigen Wissenschaftlers und Vampirjägers Albin Eberhart von Franz vor die Kamera. Zur Weltpremiere des Gruselstreifens kam Dafoe im vorigen Dezember nach Berlin. Seine Rolle als Wissenschaftler, der mit mehreren Katzen zusammenlebt, habe er nur mit Hilfe von Tabletten durchstehen können. „Ich bin allergisch gegen Katzen“, erzählte Dafoe der Deutschen Presse-Agentur. „Ich liebe Tiere“, versicherte der Star, die Szenen mit den Katzen hätten ihm daher nichts ausgemacht. 

Auch als „Spider-Man“-Schurke beliebt

Die Bandbreite von Dafoe ist enorm: Er war Jesus in Martin Scorseses „Letzte Versuchung Christi“ (1988), der clevere FBI-Ermittler in „Mississippi Burning“ (1988), der elegante Banker in dem Spionagethriller „A Most Wanted Man“ (2014) und der experimentierfreudige Wissenschaftler in der grotesken Komödie „Poor Things“ (2023) von Regisseur Giorgos Lanthimos. Auch im Comic-Genre wirkte Dafoe mit – als Schurke in der „Spider-Man“-Serie. 

Das machte offenbar auf „Stranger Things“-Star Finn Wolfhard (22) Eindruck. Bei gemeinsamen Dreharbeiten habe er zunächst Schwierigkeiten gehabt, in seinem Kollegen Dafoe nicht den Film-Bösewicht Norman Osborn zu sehen, sagte Wolfhard im April gegenüber dem „People“-Magazin. Dafoes Stimme sei für ihn ikonisch und „sein Schauspiel ist legendär“, schwärmte der Jungstar von seinem Kollegen. Wolfhard und Dafoe standen gemeinsam für den Film „Die Legende von Ochi“ vor der Kamera.

Die beiden hätten sich viel unterhalten. „Ich habe ihn gefragt, wie es war, in den 70ern und 80ern in New York Theater zu spielen. Es war wirklich cool, ihn dazu auszufragen.“ Wolfhard habe viel dabei gelernt, seinen Schauspiel-Kollegen bei der Arbeit zu beobachten. „Er war meiner Meinung nach schon immer einer, dem es beim Schauspiel um die Kunst geht.“

Vielleicht gefällt Ihnen auch