Gericht: Frau stirbt nach Sturz von Balkon – Haftstrafe für Freund

Der Fall sorgt im Sommer 2024 in Hamburg für viel Aufsehen: Eine 36-Jährige stirbt im Stadtteil Eilbek nach einem Sturz vom Balkon. Nun hat das Landgericht ein Urteil gegen den Freund gesprochen.

Vor knapp einem Jahr ist ihre Tochter in Panik aus dem vierten Stock eines Wohnhauses in Hamburg-Eilbek gesprungen und an ihren schweren Verletzungen gestorben. Jeden Prozesstag sind die Eltern aus der Region Dithmarschen zum Landgericht Hamburg gekommen, um zu hören, was genau an diesem verhängnisvollen 17. August 2024 geschah. Ausgelöst haben soll dieses schreckliche Geschehen ein heute 33-Jähriger. Als das Urteil gegen den Angeklagten fällt, halten sich die Eltern im Zuschauerraum fest im Arm – der Mann wird zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt.

Der Richterspruch erfolgt wegen Körperverletzung mit Todesfolge, gefährlicher Körperverletzung und versuchten Totschlags durch Unterlassen. Der Angeklagte im hellblauen Hemd hört der Urteilsbegründung der Vorsitzenden Richterin Birgit Woitas aufmerksam zu. Was in ihm vorgeht, lässt sich in seinem Gesicht nicht ablesen.

Das Urteil gegen den Mann, der nach eigenen Angaben die marokkanische und die libysche Staatsangehörigkeit hat, ist noch nicht rechtskräftig. Ein Sachverständiger geht von voller Schuldfähigkeit aus. Eventuell habe es eine „alkoholbedingte Enthemmung“ gegeben, meint die Vorsitzende Richterin in Richtung des 33-Jährigen. „Aber Sie waren noch in der Lage zu agieren.“

Richterin: Toxische Beziehung

Nach Worten von Woitas lernten sich der Angeklagte und die Frau im Frühjahr 2024 kennen. Die Beziehung sei toxisch gewesen, sagt die Richterin. Die 36-Jährige habe sich eine echte Partnerschaft, eine Ehe, Kinder gewünscht. Doch der Angeklagte sei daran nicht interessiert gewesen, habe mit mehreren Frauen gleichzeitig Affären gehabt. Es sei deshalb oft gestritten worden, mehrmals sei es zu einer Trennung gekommen.

Zum Tatzeitpunkt hatten sich die beiden den Angaben zufolge wieder angenähert, der Angeklagte übernachtete bei der Frau. Am nächsten Tag aber kam es wieder zu einer Auseinandersetzung. „Sie wurden ohne rechtfertigenden Grund gewalttätig“, sagt Woitas. Es habe sich nicht, wie vom Angeklagten angegeben, um Notwehr gehandelt.

Der Angreifer fügte der Frau demnach unter anderem eine blutende Schnittverletzung mit einem Brotmesser am Daumen zu, riss ihr büschelweise Haare aus, schlug sie mehrfach gegen den Kopf und hielt ihr mit den Händen die Atemwege zu.

Gericht: Frau geriet in Panik

Die Frau habe keinen Ausweg mehr gesehen und sei in Panik vom Balkon gesprungen, sagt die Vorsitzende Richterin zu dem Angeklagten. „Sie ließ sich vor ihren Augen in den Hof fallen.“ Der Mann habe ohne Rettungsbemühungen die Wohnung verlassen und sei geflüchtet. Er wurde im November von Italien nach Deutschland ausgeliefert und saß seither in Untersuchungshaft. Auch in früheren Beziehungen des Angeklagten war es laut Gericht zu Gewalt gekommen.

Der Angeklagte hatte sich weitestgehend bestreitend durch eine Anwaltserklärung eingelassen. Er behauptete, der Angriff sei von der Frau ausgegangen, sie sei nicht in Panik vor ihm gesprungen. Er habe allerdings mitbekommen, dass sie gesprungen sei und geglaubt, sie sei gleich tot gewesen.

Richter glaubten der Version des Angeklagten nicht

Diese Schilderung nahm ihm das Gericht nicht ab „Sie konnten nicht sicher sein, dass sie tot war“, ist Woitas überzeugt. Auch wenn die Frau mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr zu retten gewesen wäre, hätte er Hilfe holen müssen. Das bezeichnete die Richterin als „besonders böse“. Deshalb werde der Angeklagte auch wegen versuchten Totschlags durch Unterlassen verurteilt.

„Mein Freund hat mich verprügelt, er wollte mich umbringen“, habe die im Innenhof liegende 36-Jährige kurz vor ihrem Tod noch Zeugen gesagt, berichtet die Vorsitzende Richterin.

Dann schaut Woitas in Richtung der weinenden Mutter und des verzweifelten Vaters: „Unser Mitgefühl gilt den Eltern“, sagt sie. „Wir sind in Gedanken bei Ihnen.“ Die Worte der Richterin hätten ihnen sehr gutgetan, sie seien dem Gericht dankbar, sagt der Vater nach Ende der Verhandlung. Sie hoffen nun einen Weg zu finden, ihren Verlust zu verarbeiten.

Vielleicht gefällt Ihnen auch