Hochschulpakt: Gespräche über Uni-Finanzierung wohl auf Zielgerade – Demo

Zwei Studiengänge gestrichen, weitere Kürzungen drohen: Die Hochschulen ringen mit dem Land Hessen um Lösungen bei ihrer künftigen Finanzierung. Eine Kundgebung soll ihre Position stärken.

Hessens Hochschulen stehen vor einschneidenden Veränderungen: Noch in dieser Woche könnte der Hochschulpakt festgezurrt werden – dass er spürbare Einsparungen enthalten wird, gilt als sicher. Nach vorangegangenen Protesten ist im Tagesverlauf eine weitere Demo vor der Staatskanzlei in Wiebaden geplant. Die Gewerkschaften Verdi und GEW sowie die Studierendenvertretungen rufen dazu auf. Damit wollen sie die Senate der 14 staatlichen Hochschulen in Hessen bei einem Treffen mit Wissenschaftsminister Timon Gremmels (SPD) und Finanzminister Alexander Lorz (CDU) in Wiesbaden unterstützen.

Was ist der Hochschulpakt?

Das Wissenschaftsministerium in Wiesbaden verhandelt seit 2002 alle fünf Jahre mit den 14 staatlichen Hochschulen des Landes über den Hessischen Hochschulpakt. Dieser legt die Ziele für die Hochschulen und deren Finanzierung fest. 

Es geht um viel Steuergeld. Im Detail ist es kompliziert: Es gibt ein Sockel-, ein Erfolgs-, ein Profil-, ein Innovations- und Strukturentwicklungsbudget sowie Bundesmittel und Sondertatbestände. Aktuell wird über die Jahre 2026 bis 2031 verhandelt.

Was ist der Stand der Verhandlungen?

Die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen haben bereits vor gut einem Jahr begonnen. Laut Wissenschaftsministerium verlaufen sie „fair und verständnisvoll“. Auch Thomas Nauss, Präsident der Marburger Philipps-Universität und Sprecher der Konferenz Hessischer Universitätspräsidien, spricht von guten und vertrauensvollen Gesprächen. Ziel ist es, den Hochschulpakt bis Mitte Juli unterzeichnen zu können. Als möglicher Termin dafür stehe derzeit dieser Donnerstag (17.7.) im Raum, sagt Nauss. 

Anfang Juni hat Wissenschaftsminister Gremmels den Hochschulleitungen erstmals konkrete Zahlen vorgelegt. Die Hochschulen gingen mit diesen Infos an die Öffentlichkeit. Als Grund für die geplanten Kürzungen nannte das Wissenschaftsministerium den Spardruck bei den Landesfinanzen angesichts der schwächer gewordenen Wirtschaft und sinkender Steuereinnahmen. 

Den Hochschulen ging es laut Nauss bei den Verhandlungen darum, die negativen Auswirkungen auf das Hochschulsystem mit einem verminderten Finanzrahmen „so weit es geht gering zu halten, unter den Rahmenbedingungen, und dafür auf der anderen Seite einfach möglichst viel Flexibilität in so einen Pakt einzubauen, dass man handlungsfähig bleibt“. 

Was befürchten die Hochschulen?

Die Hochschulen warnen vor einer Unterfinanzierung. Die Pläne würden zu einem Defizit von rund einer Milliarde Euro in den nächsten sechs Jahren führen. Das werde einen dauerhaften Abbau von zehn Prozent des Personals in Wissenschaft, Kunst und Verwaltung zur Folge haben, so die Hochschulen in einer koordinierten Stellungnahme vom Juni. 

Unis: „Diese Kürzung hat Langzeitwirkung: Sie bedroht die Funktionalität der Hochschulen in Forschung, Lehre und Transfer weit über 2031 hinaus“, hat Nauss in der gemeinsamen Mitteilung der hessischen Hochschulpräsidien erklärt.Fachhochschulen: „Die Hochschulen drohen selbst bei einem sofortigen vollständigen Stellenstopp und damit bei einem völlig zufälligen und ungesteuerten Konsolidierungsprozess in strukturelle Defizite zu laufen“, sagt Karim Khakzar, Sprecher der Hessischen Hochschulen für Angewandte Wissenschaften.Kunsthochschulen: „Wo sollen all die klugen und kreativen Köpfe herkommen, die man dafür benötigt, wenn nicht von den hessischen Hochschulen?“, fragt Elmar Fulda, Sprecher der Hessischen Kunsthochschulen. „Fachkräftesicherung sieht anders aus.“

Gibt es schon konkrete Folgen?

Die Frankfurt University of Applied Sciences (UAS) hat bereits zwei Studiengänge gestrichen. Der Senat der Hochschule sprach von „schmerzhaften Weichenstellungen zur Vorbereitung auf den Hessischen Hochschulpakt“. 

Eingestellt werden zwei ingenieurwissenschaftliche Angebote mit hohem Praxisanteil. „Die damit einhergehende intensivere Betreuung der Studierenden wird die Hochschule in dieser Form nicht mehr finanzieren können“, hieß es.

Keine betriebsbedingten Kündigungen wie in der Wirtschaft?

Nauss geht davon aus, dass es auch an anderen Hochschulen zu solchen Einschnitten kommen wird – auch wenn er keine konkreten Prognosen für jeden Standort abgeben kann. Auch Sach- und Personalkosteneinsparungen hält der Marburger Uni-Präsident für unausweichlich. „Also es wird eine Mischung notwendig sein, und es wird sicherlich auch eine Reduzierung insgesamt der Beschäftigungszahl an den Hochschulen erfolgen.“ Anders als in der Wirtschaft gehe es allerdings nicht um betriebsbedingte Kündigungen, „sondern man wird bei Stellenneubesetzungen immer wieder entscheiden müssen, ob man sich diese Stelle noch mal leisten kann oder nicht“, sagt Nauss.

Daran schlössen sich für die Hochschulen auch weitere Fragen an, erklärt der Marburger Uni-Präsident: Wie können Arbeitsprozesse in der Uni entsprechend umorganisiert werden? Was muss bei weniger Personalkapazität an Leistungen zurückfahren werden? Wie kann die Transformation möglichst so gestaltet werden, dass das Hochschulsystem grundsätzlich leistungsfähig bleibt? 

Ist der Spardruck neu?

Für die Kundgebungen hat Nauss Verständnis: Die Beschäftigten und Studierenden seien die Betroffenen der Transformation des Hochschulsystems, „das 2031 sicherlich anders aussehen wird als heute“, sagt er. 

Laut dem Wissenschaftsministerium hat es auch schon früher Hochschulpakte mit mehr Spardruck gegeben – die Vereinbarungen für die Jahre 2021 bis 2025 seien dann positiver für Forschung und Lehre gewesen, weil sich seinerzeit auch die Landesfinanzen generell günstiger dargestellt hätten.

Wie sieht Hessens Hochschullandschaft aus?

Der Hochschulpakt betrifft 14 staatliche Hochschulen. Die größten Player sind die Universitäten, davon gibt es fünf: in Frankfurt, Marburg, Gießen, Kassel und Darmstadt. 

Hochschulen Angewandter Wissenschaft, früher Fachhochschulen, gibt es sechs: zwei in Darmstadt, je eine in Frankfurt und Fulda plus zwei mit verschiedenen Standorten in Mittelhessen und Rhein-Main. Dazu kommen drei Kunsthochschulen: in Frankfurt, Kassel und Offenbach.

Vielleicht gefällt Ihnen auch