Netflix-Serie „Too much“: Neue Serie von Lena Dunham: „Hat er bei dir auch nie Oralsex gemacht?“

Die neue Serie von „Girls“-Macherin Lena Dunham beleuchtet die magischen Anfänge einer Beziehung, ist aber vor allem eine Liebeserklärung an Frauen. 

In Folge zwei gibt es eine Szene, über die man noch länger nachdenken wird. Jessica liegt mit Ihrem Freund im Bett, schwenkt ihr Handy und singt synchron mit Miley Cyrus: „Baaaby, angels like you can’t fly down hell with me.“ Glück kann so einfach sein. Doch Zev schüttelt nur mit dem Kopf: „Das ist keine echte Musik.“ Und ergänzt: „Du bist doch eigentlich zu schlau, um auf so etwas hereinzufallen.“ Später wird Jessica einem Arbeitskollegen sagen, dass sie einen schlechten Musikgeschmack habe.  

Dieser kleine Alltagsausschnitt zeigt, wie schnell man als Frau verinnerlicht, nicht genug zu sein. Wie sehr man sich über die Jahre anpasst, um zu gefallen. So weit, dass man sich nicht mal mehr traut, zu seiner Lieblingsmusik zu stehen.   

Mit „Too Much“ hat Regisseurin und Schauspielerin Lena Dunham eine Serie über Frauen gemacht, die genau das ändern will. Die sagt: Nur im Miteinander seid ihr stark.  

Vor sieben Jahren ging die letzte Staffel des Serien-Hits „Girls“ über vier New Yorker Millennial-Freundinnen in der Selbstfindungsphase zu Ende. Durch „Girls“ wurde Lena Dunham berühmt, verschwand dann aber weitgehend von der Bildfläche. In einem Interview mit der BBC erklärte sie, Bodyshaming sei einer der Gründe gewesen, warum sie nicht mehr vor der Kamera habe stehen wollen.  

In „Too Much“ spielt Dunham daher eine kleine Nebenrolle. Im Mittelpunkt steht die Schauspielerin Megan Stalter in der Rolle der Regieassistentin Jessica, die von New York nach London zieht, um ihrer angeknacksten Karriere und ihrem gebrochenen Herzen zu entfliehen.   

Liebe ist möglich. Aber einfach wird es nicht  

Jessica leidet unter der Trennung von Zev, der sie nach sieben Jahren Beziehung für Influencerin Wendy (gespielt von Model Emily Ratajkowski) verlassen hat. Doch schon in ihrer ersten Londoner Nacht lernt sie in einem Pub Felix (Will Sharpe) kennen. Beim Zuschauen läuten die Alarmglocken: Felix ist ein Musiker mit Drogenvergangenheit, der viel zu gut aussieht. Doch Jessica stürzt sich kopfüber in den Pool der Liebe, in dem nicht immer Wasser ist.  

Lena Dunham hat für die Serie aus ihrem eigenen Leben geklaut. Auch sie ist von New York nach London gezogen, hat dort den britischen Indie-Musiker Luis Felber kennengelernt und später geheiratet. „Too Much“ haben die beiden gemeinsam entwickelt und zeigen darin die Stationen einer noch jungen Beziehung vom ersten gemeinsamen Spaziergang bis zum ersten Zerwürfnis. Wie schon in „Girls“ sind die Sexszenen ungeschönt realistisch, die Dialoge smart, derb und witzig:

Er: „Ich mag amerikanische Dinge. Die Simpsons. Und Oxycodon.“

Sie: „Ja, das esse ich gern zum Frühstück.“

oder

Sie: „Bist du ein Love-Bomber? Wirst du mir ein Klavier schenken?“

Er: „Nein, aber ich habe ein Mixtape für dich.“

Mit Felix‘ Musik auf den Ohren liegt Jessica schließlich lächelnd auf dem Bett, während er einfach nur neben ihr liegt. Diese Szene ist fast einen Song lang.

Lena Dunham schenkt uns ein „Weird Girl“, das man lieben muss 

Inspiriert von eigenen Erfahrungen hatte Lena Dunham mit der Rolle der Hannah Horvath in „Girls“ eine Figur geschaffen, die so sehr um sich selbst kreiste, dass es schließlich nervtötend wurde. Auch Jessica ist viel mit sich beschäftigt, aber anders: Sie ist ein „Weird Girl“: unkonventionell und auf liebenswerte Art seltsam.  

Wie der Titel der Serie schon sagt, ist die Mittdreißigerin in allen Bereichen des Lebens „zu viel“. Zu emotional, zu klammerig, zu ungefiltert. Exzessiv stalked sie ihren Ex und seine Neue auf Social Media. Sie besitzt einen Nackthund. Sie trägt bunte Strumpfhosen, zottelige Plüschjacken, kreuzt als Hochzeitsgast in einem 80er-Jahre-Folienkleid auf. 

Auch wenn das Aussehen der Protagonistin kaum thematisiert wird, ist es erwähnenswert: Eine mehrgewichtige Schauspielerin spielt eine Hauptrolle und bekommt den heißen Typen. Hurra!  

Bei der Dinnerparty ihres Chefs erzählt sie dessen Frau Ann (starker Gastauftritt von Naomi Watts) von ihren Blaseninfektionen: „Mein Pissloch brennt wie Hölle!“ Später finden sich die beiden im Badezimmer wieder. Jessica solle die Anfangsphase ihrer Beziehung genießen, rät Ann mit der Lebensklugheit einer älteren Frau. „Sehr bald schon wirst du dich mit ihm allzu sicher fühlen und die Zeit vermissen, in der du nicht alles über ihn wusstest.“

„Too Much“ läuft seit dem 10. Juli auf Netflix. Zu sehen sind u. a. Megan Stalter, Will Sharpe, Michael Zegen, Andrew Scott, Naomi Watts, Adèle Exarchopoulos, Rita Ora und Jessica Alba
© Netflix

Am Ende brauchen Frauen vor allem: andere Frauen 

In „Too Much“ versichern sich Frauen einander, dass sie toll sind. Weil es sonst keiner tut. Und zu all dem liefern die größten Popsängerinnen unserer Zeit den Soundtrack: Billie Eilish, Taylor Swift, Sabrina Carpenter, Lola Young. 

Dunham zeigt, was die jüngere Generation bereits begriffen hat und wofür man sich nur eine Folge von Stefanie Giesingers G-Spot-Podcast anzuhören braucht: Hört einander zu. Haltet zusammen. Seid nachsichtig miteinander. „I don‘t fuck with Girls“, sagt Influencerin Wendy, als sie sich am Schluss der Serie mit Jessica zu einer Aussprache in einem Café trifft. Aus Feindinnen werden Verbündete, die sich über den (inzwischen) gemeinsamen Ex-Freund austauschen:

„Sag mal, hat er bei dir auch nie Oralsex gemacht?“

„Too Much“ lehrt uns: Liebe ist möglich. Aber einfach wird es nicht. Romantische Beziehungen sind ein Nice-to-have, aber wenn es am Ende doch nicht klappt, hat man immer noch Mütter, Tanten, Schwestern, Freundinnen, Haustiere.

Und sich selbst.

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