Traditionsläden in London: Wo Dianas geheimes Parfüm lagert – und Churchills Lieblingszigarre

In London gibt es sie noch: Urige Läden, die Hüte oder eigene Parfüms kreieren. Wer durch St. James streift, kann sogar im Sessel des wohl berühmtesten Briten Platz nehmen.

„Wollen Sie wissen, wie Queen Elizabeth II. roch?“, fragt der Verkäufer. Sicher, wer will das nicht? Alex – gut sitzender Anzug, gepflegte Erscheinung, Pomade im dunklen Haar – sprüht den Duft „White Rose“ auf ein Testkärtchen, wedelt damit kurz in der Luft und lässt die Anwesenden schnuppern. Es riecht nach – Veilchen. Und etwas Schwererem darunter, Sandelholz vielleicht, und süßlichem Puder. Ein unkomplizierter Duft aus einer Zeit, als die Welt simpler war. „White Rose“, kreiert 1837, sei das Lieblingsparfum ihrer Majestät gewesen, sagt Alex. Queen Elizabeth habe es sogar getragen, als sie im November 1947 Prinz Philip heiratete. 

Bei Floris in Londons Jermyn Street wird seit 1730 Parfum gemischt – auch für die königliche Familie
© Horst Friedrichs

Bei Floris, Londons ältester und exklusivster Parfümerie, erzählen sie viele solcher Geschichten. Von Marilyn Monroe zum Beispiel, die sich gleich sechs Flaschen des Dufts Floris Geranium Rose nach Beverley Hills schicken ließ. Vom Stammkunden Ian Fleming, der seinen Lieblingsduft Floris 89 zu dem seines fiktiven Agenten 007 und damit unsterblich machte. Und von David Bowie, der ein Fan von Floris Elite – Grapefruit, Lavendel, Zedernholz, Vetiver, Leder, Patchouli – war. 

Die historische Duftmischerei Floris ist nur einer von vielen Läden in der Londoner Jermyn Street, die derart illustre Kundschaft aufweisen können. Der deutsche Fotograf Horst Friedrich, von jeher ein Fan alles Urbritischen, hat diesen und vielen anderen einzigartigen Londoner Geschäften nun ein ganzes Buch gewidmet. Es heißt schlicht: „Feine Läden“ und macht Lust auf einen Londoner Stadtbummel anderer Art.

Der erste Italiener und das feinste Steakhaus Londons

Nicht allzu viele Touristen verirren sich in den feinen Stadtteil St. James, obwohl er gleich hinter dem lauten Piccadilly Circus beginnt. Die Jermyn Street schmiegt sich an die Rückseite des Delikatessen-Tempels Fortnum & Mason; ein traditionsreiches Etablissement reiht sich hier ans andere, leicht erkennbar an den goldenen Schriftzügen über den Ladenfronten in dunklem Holz. Da ist Rowley’s, laut der Zeitung „Daily Telegraph“ „das vielleicht feinste Steak-und-Pommes-Restaurant im Land“, oder Franco’s, gegründet 1945 und angeblich Londons erster Italiener, mit Sternekoch und einer fantastischen Bar. 

Floris kreiert maßgeschneiderte Düfte für Kunden. Edward Bodenham ist Direktor – und Nachkomme der Gründer in der neunten Generation
© Horst Friedrichs

Zwischen Hemdenschneidern, Käsegeschäften und Gentlemen’s Clubs liegt hier auch Floris. Die Parfümerie, gegründet im Jahr 1730 von Juan Famenias Floris und dessen Frau Elizabeth, einem Einwandererpaar aus Menorca, war ursprünglich ein Barbier. Bald merkten die unternehmerischen Spanier allerdings, dass das große Geld eher mit Düften zu machen war, und verlegten sich auf Parfums. Die, erklärt Verkäufer Alex, waren damals unisex und auf eine einzige starke Note reduziert – es sei schließlich vor allem darum gegangen, den erbärmlichen Gestank des Londons jener Tage zu übertünchen.

Im kleinen Museum hinter dem Verkaufsraum zeigt Alex die begehrten „Royal Warrants“, die Floris als Hoflieferanten des britischen Königshauses seit George IV. auszeichnen. Prinzessin Diana ließ sich hier ihren eigenen Duft mischen, dessen Komposition auch Jahrzehnte nach ihrem Tod streng geheim bleibt. Wer sich selbst seinen persönlichen Floris-Duft maßschneidern lassen will, berappt dafür 860 Euro, der Service für Paare kostet 1440 Euro.

Hier kaufte schon Oscar Wilde sein Lavendel-Wasser

Unweit von Floris, in der St. James’s Street Nummer 11, steht Londons älteste Apotheke. 1790 eröffneten Henry Harris und sein Cousin, der Apotheker Daniel Rotely Harris, ihr Geschäft. Sie nannten sich „D.R. Harris“, wahrscheinlich in der Hoffnung, die Initialen ließen unter den Inhabern einen echten Doktortitel vermuten. Henry war zwar Chirurg, die allerdings genossen damals eher den Ruf von Barbieren als von Ärzten.

D.R. Harris ist Londons älteste Apotheke und Drogerie – und ein Eldorado für Fans traditioneller Seifen und Düfte
© Horst Friedrichs

Der Plan der beiden ging offenbar auf, denn D.R. Harris ist bis heute eine renommierte Apotheke und Drogerie. Touristen, die Google Maps auf der Suche nach Aspirin oder Pflastern zu D.R. Harris schickt, finden sich in einer Wunderwelt wandfüllender, polierter Holzregale wieder, in denen sich Rasierschaum, Seifen, Bürsten, Kämme, Cremes, Wässerchen und Tinkturen mit altmodischen Namen und Etiketten stapeln. Es riecht nach Mandelaroma, Eau de Cologne und Kräutern. Bei D.R. Harris gibt es unter anderem kuriose Dinge wie „Soap on a Rope“, Seife am Strick, eine englische Erfindung aus den Siebzigern, heute belächelt und doch erstaunlich praktisch in Duschen ohne Seifenschale.

„Seife am Strick“ ist ein Verkaufsschlager von D.R. Harris in St. James – und erstaunlich praktisch in der Dusche
© Horst Friedrichs

Die überwiegend männliche Kundschaft schwört auf den hauseigenen Rasierschaum. Die königliche Familie sei auch bei D.R. Harris Stammkunde, erzählt Inhaber Julian Moore. Jahrzehntelang hatte der Laden den „Royal Warrant“ von Queen Elisabeth II., vor einem Jahr verlieh Sohn King Charles D. R. Harris seinen eigenen Hoflieferantenstatus. Hat Moore schon mal einen Royal in seinem Laden gesichtet? Moore lacht. „Für so was haben sie Angestellte.“

Der Mann der tausend Pinsel und Tinkturen: Julian Moore ist Inhaber von D. R. Harris
© Horst Friedrichs

Das Lavendelwasser, das der berühmte Dandy und Schriftsteller Oscar Wilde hier kaufte, gibt es bis heute – ebenso den „Pick-me-up“, einen Kräuterschnaps, der gegen Kater helfen soll, und dessentwegen Wilde vermutlich wirklich kam. Manche Probleme sind eben zeitlos. 

Im Sessel von Churchill

Auch ein paar Türen weiter, beim Zigarrenhändler James J. Fox, hatte Oscar Wilde ein Kundenkonto. Dort allerdings wird er überschattet vom zweifellos berühmtesten Zigarrenraucher der Welt – Großbritanniens einstigem Premier Winston Churchill. 

Rauchen, vor allem von Zigarren, ist heutzutage in etwa so politisch korrekt wie die Indianerskulpturen, die im Verkaufsraum des Händlers stehen. Bei J.J. Fox, wie die Stammkunden den Laden nur nennen, darf man sich im Rauchersalon über den Geschäftsräumen sogar eine Zigarre anstecken – quasi der letzte Innenraum Londons, wo das noch legal ist. Für schnöde Zigarettenraucher allerdings gilt auch hier absolutes Rauchverbot. 

Hier rauchte schon Winston Churchill: Zigarren der hauseigenen Marke im begehbaren Humidor des legendären Zigarrenladens James J. Fox
© Horst Friedrichs

Zigarren sind Investmentobjekte wie Wein oder Kunst. Bei richtiger Lagerung steigt ihr Wert, erklärt Marketingdirektor Dave, deshalb können Käufer die wirklich wertvollen Exemplare hier im Laden aufbewahren lassen. Der begehbare Humidor von J.J. Fox ist somit ein Tresor und entsprechend gut gesichert. Hier lagern Zigarren mit einem Wert ab 15 Euro das Stück, Vintage-Editions wie die Cohiba Behike 56 kosten gut 800 Euro pro Zigarre, Vintage Davidoffs sogar 1150 Euro. Winston Churchills Lieblingszigarre „Vitola“ der kubanischen Marke Romeo y Julieta ist mit 65 Euro pro Stück vergleichsweise preiswert. Hier kaufen Leute ein, die sich nebenan bei John Lobb ein Paar Schuhe oder bei Lock & Co. einen Hut handfertigen lassen, sagt Dave.

„Feine Läden“ mit Fotos von Horst Friedrichs und Texten von Stuart Husband, 256 Seiten, erschienen 2025 bei Frederking & Thaler. 39,99 Euro

Unten, im Mini-Museum von J.J. Fox, steht die Star-Attraktion des Ladens: der Sessel von Winston Churchill. Influenzer und Touristen aus aller Welt kommen wegen des durchgesessenen Lederstuhls hierher. Churchill soll dort gesessen und die eine oder andere Zigarre geraucht haben. 90 Minuten Rauchvergnügen habe eine „Vitola“ dem legendären Premierminister geboten, sagt Dave. Churchill soll täglich mehrere davon geraucht und noch dazu zwei Flaschen Champagner der Marke Pol Roger pro Tag konsumiert haben. So brachte er es auf beachtliche 90 Jahre.

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