Interview mit Nina Hoss zu „Zikaden“: „Der Punkt des Sterbens ist ein guter“

Im Interview mit spot on news spricht Nina Hoss über persönliche Erfahrungen mit dem Tod und ihren Umgang mit dem Unausweichlichen.

Im neuen Kinofilm „Zikaden“ spielt Nina Hoss (49) eine Frau, die sich um ihre betagten Eltern kümmert, sich selbst und ihre Ehe in Frage stellt und mit der Endlichkeit des Lebens konfrontiert wird. Auch im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news zeigt die Schauspielerin keine Berührungsängste mit dem Thema Tod. Ein Gespräch übers Festkrallen, Loslassen und den Moment des Sterbens.

„Zikaden“ behandelt viele Themen: Das Altern und den Tod, Klassenunterschiede, Lebenswirklichkeiten von Frauen, unerfüllter Kinderwunsch. Was davon hat Sie am meisten berührt?

Nina Hoss: Die Zusammenkunft all dieser Themen, ohne dass man davon erschlagen wird. Dass man Gegensätze aufeinanderprallen lässt, mit denen wir alle zu tun haben. Der Film erzählt mit einer schönen Leichtigkeit davon. Mir entspricht das sehr, weil ich immer das Gefühl habe, beides, das Schwere und das Leichte, die Trauer und die Freude, der Wahnsinn und die Vernunft, das läuft alles nebeneinander und ist immer da, gleichzeitig.

Haben Sie gar keine Berührungsängste mit dem Thema Tod?

Hoss: Nicht wirklich. Ich habe es ja auch selber erlebt. Ich habe meine Eltern beide begleitet und das hat mir die Angst vor dem Tod genommen.

Wie das?

Hoss: In dem Moment des Sterbens, glaube ich, ist es tatsächlich leicht. In allem davor ist es nicht leicht. Deswegen hängt man auch so am Leben. Es ist irre zu beobachten, was ein Mensch alles aushält und überlebt, zum Beispiel mit Krankheiten. Da fragt man sich: Was ist das denn, dass man so am Leben hängt und nicht loslassen kann? Ich glaube, was einem schwerfällt, ist, die Menschen, die man liebt, zurückzulassen. Aber der Punkt des Sterbens ist ein guter.

Können Sie das erklären?

Hoss: Ich habe einfach erlebt, dass der Moment des Loslassens etwas Friedliches hat.

Das Schlimme ist ja vielleicht nur, dass wir nicht wissen, was dann passiert. Die Angst vor dem Unbekannten.

Hoss: Absolut, das ist ja auch menschlich. Aber das haben schon Millionen vor uns durchgemacht, wir werden das auch hinkriegen.

Den großen Kontrollverlust erleben ja auch die Angehörigen. Wie geht man mit dem Moment der Machtlosigkeit um?

Hoss: Ich glaube, in dem Moment kriegt man das oft gar nicht mit, weil man so viel mit Organisation von Pflege und so zu tun hat. Für mich geht es in dem Film aber auch darum, zu überlegen: Was ist denn so ein Menschenleben? Was hinterlässt man? Wie der Vater, der schon gar nicht mehr klar denken kann, aber noch aufschreiben muss, was passiert ist. Ist es wirklich wichtig? Oder ist alles flüchtig? Und wie geht man in Würde?

Der Schmerz der Eltern wird in dem Film auch sehr bewegend gezeigt – der des Vaters allerdings noch eindringlicher. Haben Sie auch das Gefühl, dass wir mehr Mitleid mit älteren Männern haben als mit älteren Frauen?

Hoss: Ja! Das ist der Trick. [lacht] Männer werden sentimentaler im Alter, so dass man ihnen nicht böse sein kann. Da verzeiht man eher. Und oftmals ist es so, dass man der Mutter nicht so leicht verzeihen kann, weil man mit ihr alles zusammen durchgelebt hat, während der Vater einfach nicht da war. Ich glaube das ist der Grund, weswegen die Männer es auch im Alter wieder leichter haben mit ihren Kindern als die Mütter. Wobei nicht immer, bei mir war das zum Beispiel nicht so.

Sie haben Ihre Mutter selbst gepflegt, während ihre Figur Isabell Pflegepersonal hat…

Hoss: Ich hatte auch Hilfe – das geht gar nicht ohne.

Würden Sie sagen, dass Kinder eine Verpflichtung ihren Eltern gegenüber haben, sich im Alter um sie zu kümmern?

Hoss: Für mich war es eine Selbstverständlichkeit, aber man braucht Hilfe. Verpflichtung weiß ich nicht. Ich fände es auch schlimm, wenn Eltern das so selbstverständlich erwarten, besonders in den Lebensumständen, in denen wir uns heute befinden, wo Kinder oftmals gar nicht mehr da leben, wo die Eltern sind.

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