Bericht für 2024: Verfassungsschutz: Mehr Rechtsextremisten in der AfD

Rechtsextreme bekommen in der AfD laut Verfassungsschutz mehr Gewicht – doch die Einstufung als Verdachtsobjekt endet 2026. Die Entscheidung, was danach kommt, könnte früher fallen als gedacht.

Die AfD in Niedersachsen wird nach Einschätzung des Verfassungsschutzes zunehmend rechtsextrem. Zwar verfolge nicht jedes AfD-Mitglied verfassungsfeindliche Ziele, sagte Verfassungsschutzpräsident Dirk Pejril anlässlich des Jahresberichts für 2024. Aber: Die Zahl der Rechtsextremisten in der AfD und ihrer damals noch existierenden Jugendorganisation Junge Alternative sei von 600 auf 850 Mitglieder gestiegen. Und den extremistischen Kräften in der AfD sei es gelungen, ihre Machtstellung und Einflussnahme auszubauen.

Derzeit führt der Verfassungsschutz den AfD-Landesverband seit Mai 2022 als Verdachtsobjekt. 2024 ist diese Einstufung verlängert worden. Spätestens bis Mai 2026 muss die Behörde allerdings entscheiden, ob sie die Partei als gesichert rechtsextremistisch bewertet oder nicht. Eine erneute Verlängerung als Verdachtsobjekt ist nicht möglich.

Behrens: Einstufung der AfD als Verdachtsobjekt angemessen

Es durchaus denkbar, dass man die Entscheidung darüber schon früher treffen werde, kündigte Pejril nun an. Der Verfassungsschutz arbeite intensiv daran. „Eine Tendenz kann ich Ihnen jetzt noch nicht sagen.“ Wird die AfD als Beobachtungsobjekt hochgestuft, könnte der Verfassungsschutz beispielsweise auch V-Leute einsetzen, um an Informationen zu kommen.

„Es gilt, die weitere Entwicklung der Partei zu beobachten und fortlaufend zu bewerten“, sagte Innenministerin Daniela Behrens (SPD). Die derzeitige Einstufung der AfD als Verdachtsobjekt sei deshalb angemessen.

Der AfD-Fraktionsvorsitzende Klaus Wichmann unterstellte der Regierung daraufhin, den Verfassungsschutz zum Machterhalt zu missbrauchen. Die AfD werde „mit herbei konstruierten Verdächtigungen“ überzogen.

Rechtsextremismus 

Auch über die AfD hinaus, aber maßgeblich angetrieben von deren Entwicklung, hat das Personenpotenzial im Rechtsextremismus nach Angaben des Verfassungsschutzes zugenommen: von 1.690 auf 1.970 Menschen. 

So ist etwa die Neonazi-Szene von 220 auf 270 Menschen angewachsen. Besonders besorgniserregend ist dabei für Verfassungsschutzpräsident Pejril: Über zunächst virtuelle Zusammenschlüsse würden an der Schnittstelle zwischen Neonazismus und subkultureller Szene gezielt aktions- und teils gewaltorientierte Jugendliche angesprochen. „Wir sehen die Gefahr, dass sich dieses Personenpotenzial verfestigt und damit jüngere Menschen an die neonazistische Szene bindet“, warnte Pejril.

Die Zahl der sogenannten Reichsbürger und Selbstverwalter legte um 100 auf etwa 1.180 Personen zu. Davon werden 40 Personen zugleich der rechtsextremistischen Szene zugeordnet, dieser Anteil stagniert.

Ministerin Behrens ließ keinen Zweifel daran, dass sie im Rechtsextremismus weiter die größte Gefahr für die Gesellschaft sieht: „Diese Ideologie macht sich die Unsicherheit und Sorgen der Menschen zu eigen, verstärkt damit Zukunftsängste, Ablehnung und Hass. Und hat dabei keine Antworten.“

Nahostkonflikt und Antisemitismus

Der Nahostkonflikt bringt bei propalästinensischen Demonstrationen nach Einschätzung des Verfassungsschutzes unterschiedliche Extremisten zusammen – mit Antisemitismus als einendes Bindeglied.

„Islamisten, palästinensische Extremisten, türkische Rechtsextremisten sowie deutsche und türkische Linksextremisten eint der Hass auf Israel sowie Jüdinnen und Juden“, sagte Behrens. „Dies wird bei propalästinensischen Versammlungen oder durch das Verbreiten von Hass, Hetze, Propaganda oder Falschinformationen in sozialen Medien immer wieder deutlich.“

Die laufenden Auseinandersetzungen zwischen Israel und Iran erhöhten das Eskalationspotenzial in diesem Bereich weiter, sagte Pejril.

Ukraine-Krieg und Spionage 

Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs in der Ukraine haben auch sogenannte hybride Bedrohungen wie Spionage und Sabotage zugenommen. Nahezu täglich gebe es nicht genehmigte Drohnenüberflüge etwa im Bereich von kritischer Infrastruktur oder militärischen Anlagen. Die Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass häufig Russland dafür verantwortlich ist, eindeutig zuschreiben lasse sich das aber nicht. 

„Es ist kein Zufall, dass militärische Sicherheitsbereiche überflogen werden, wenn zum Beispiel ukrainische Soldaten an deutschen Waffensystemen oder europäischen Waffensystemen ausgebildet werden“, sagte Pejril.

Behrens sagte, die hybriden Bedrohungen verfolgten das Ziel, die Menschen zu verunsichern und demokratische Gesellschaften zu destabilisieren. „Diese Bedrohungen gilt es, konsequent und aktiv zu bekämpfen.“

Islamismus

Die Zahl der Salafisten ist laut Verfassungsschutzbericht von 700 auf 650 Personen zurückgegangen. Das sei allerdings kein Grund zur Entwarnung, sagte Pejril. Vom islamistischen Terrorismus gehe weiterhin eine hohe Gefahr aus. Belegt werde das etwa durch den Messerangriff von Mannheim und den Anschlag von Solingen sowie frühzeitig aufgedeckte Anschlagspläne.

Ähnlich wie im Rechtsextremismus stellt der Verfassungsschutz auch bei den Islamisten eine gezielte Ansprache von Jugendlichen fest. Behrens sprach sich vor diesem Hintergrund für eine stärkere Steuerung sozialer Medien aus, da Extremisten aller Art versuchten, die „Jugend zu vergiften“.

Linksextremismus

Im Bereich des Linksextremismus erfasste der Verfassungsschutz ebenfalls einen leichten Anstieg von 820 auf 840 Personen. Zielscheiben linksextremistischer Aktionen waren insbesondere Veranstaltungen der AfD sowie das Eigentum von AfD-Angehörigen. Durch den Ukraine-Krieg und den Nahostkonflikt sei aber auch der Antimilitarismus wieder stärker in den Fokus gerückt, auch mit gewalttätigen Protesten gegen Rüstungsunternehmen.

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