Meinung: Mein Hass auf die Klub-WM wächst mit jedem Tag

Die Klub-WM läuft in den USA und sie läuft wie erwartet schlecht. Unserem Autor war das Turnier lange egal – bis es anfing. Nun muss die Wut raus!

Die Menschen, die mich kennen, sagen mir eigentlich durch die Bank ich sei ein „ausgeglichener Typ“. Mir würde auch wirklich wenig einfallen, was mich aus der Ruhe bringt oder gar wütend macht. Jetzt sitze ich aber hier und tippe diesen Text mit den Mittelfingern. Klub-WM, diese verdammte Klub-WM. Ja, ich weiß, gefühlt jeder Journalist, der sich auch nur ansatzweise für Fußball interessiert, hat sich in den vergangenen Wochen und Monaten bereits das Maul über dieses Turnier – pardon – dieses Möchtegern-Event mit nebensächlicher Fußball-Unterhaltung zerrissen. Mir war diese Farce bis zum Start ziemlich egal. Doch seit dem ersten Spiel in den USA wächst mein Hass mit jedem Tag. Vorläufiger Höhepunkt: Ein peinliches 0:0 meiner Borussia aus Dortmund gegen Fluminense aus Rio de Janeiro. 

Die Wut muss raus: Alles an der Klub-WM ist falsch!

Wut ist bekanntlich selten ein guter Ratgeber. Aber irgendwo muss sie raus. Und einfach auf der Straße zufällige Leute anzuschreien, liegt mir nicht. Dann eben hier: 

Alles, wirklich alles an der Klub-WM ist falsch. Von der vollkommen willkürlichen Wahl der Teilnehmer, über den Austragungsort und die Anstoßzeiten bis hin zum Zeitpunkt des Turniers. Arbeiten wir uns kurz einmal daran ab:

Ja, ich weiß, für viele nicht-europäischen Teams ist es eine Riesenchance gegen Mannschaften wie … Moment, da muss ich einmal nachgucken, wer überhaupt alles dabei ist … Real Madrid oder Manchester City zu spielen und ihren Bekanntheitsgrad zu erhöhen. Auf dem Papier eine wunderbare Idee. Wenn diese Idee dann aber dazu führt, dass der FC Bayern Auckland City mit 10:0 vom Platz fegt und die interessanteste Frage ist, wer nach dem Spiel das Trikot vom Müller-Thomas ergattert, haben wir ein Problem. 

Kein Wunder, dass die Stadien leer bleiben

Der Austragungsort: Die USA sind kurz hinter Katar wohl mit die schlechteste Idee ein solches Turnier auszurichten. Nicht, dass dieser Garten Eden des Kapitalismus nicht die Infrastruktur, die Stadien oder auch die Popularität für „Soccer“ hätte – die WM 1994 soll im Großen und Ganzen ein Erfolg gewesen sein – aber eine „echte“ WM hat nunmal mehr Strahlkraft als ein paar zusammengekaufte Klubs aus der ganzen Welt, die eine goldene Glaskugel ausspielen (ja, ich meine die Trophäe der Klub-WM, googlen Sie mal, wie sagenhaft hässlich das Teil ist). 

Kleiner Sidefact, falls Sie sich wundern sollten, warum diese riesigen Football-Betonschüssel ständig leer bleiben und die Fifa angeblich schon Tickets für vier Dollar verscherbelt hat: Wenn am Mittwochabend deutscher (!) Zeit Manchester City gegen den traditionsreichen Wydad AC aus Marokko antritt, ist es vor Ort in Philadelphia 12 Uhr Mittags. Denken Sie mal drüber nach, wann Sie das letzte Mal einen Tag frei genommen haben, um ein völlig belangloses Freundschaftsspiel in der prallen Mittagssonne zu gucken.

Mag ja sein, dass die Fifa in den USA den größten Wachstumsmarkt für den Fußball sieht, aber populärer macht man ihn im Land sicherlich nicht, wenn Fans nicht einmal die Chance haben, ins Stadion zu gehen, weil man so absurden Tätigkeiten wie „Arbeit“ nachgehen muss.

Letztlich zeigen solchen Anstoßzeiten, dass die Fifa den Fußball wohl nur noch als reines TV-Event sieht. Am besten ohne störende Fans im Stadion. Corona-Geisterspiele, ick hör euch trapsen. 

Regeneration scheint ein Fremdwort geworden zu sein

Ein letzter Punkt noch, und den meine ich völlig ernst: Ich mache mir Sorgen. Nicht wie viele andere um die Kommerzialisierung dieses Sports – der Zug ist für mich längst abgefahren. Ich mache mir Sorgen um die Spieler. Auch wenn wir Dortmunder Fans auf der Tribüne gerne die gnadenlose Malocher-Mentalität vor uns hertragen und uns gerne vor Wut das Stück Currywurst beim Schreien aus dem Mund fliegt, wenn ein Spieler in der 94. Minute und beim Stand von 3:0 nicht den Sprint seines Lebens ansetzt – was gerade von diesen Fußballern verlangt wird, hat mit Leistungssport nichts mehr zu tun.

Viele Nationalspieler haben im vergangenen Sommer die EM gespielt, sich dann in einer langen Saison aufgerieben, spielen jetzt die Klub-WM, um dann direkt in die Vorbereitung zur neuen Spielzeit zu starten. Ganz abgesehen davon, dass nächstes Jahr um diese Zeit bereits die Weltmeisterschaft läuft. Regeneration scheint ein Fremdwort geworden zu sein. Es ist eigentlich unverantwortlich, dass überhaupt ein Verein bei diesem Jux-Turnier zugesagt hat. 

Doch wie es offenbar mittlerweile so üblich ist: Pate Gianni Infantino wedelt mit einem Scheck und macht eben ein Angebot, das man nicht ablehnen kann. Auch wenn das die Gesundheit von etlichen jungen Menschen gefährdet.

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