Die Debatte über volle Kliniknotaufnahmen und Bereitschaftsdienstpraxen läuft seit Jahren. Hausärztemangel und Krankenhausschließungen verschärfen das Problem.
Der Patientenansturm auf Notaufnahmen der Krankenhäuser und auf den Bereitschaftsdienst der niedergelassenen Ärzte bleibt in Thüringen eine Herausforderung. Zunehmend spielen dabei nach Einschätzung von Klinikvertretern die Schließung einzelner Krankenhausstandorte und der Hausärztemangel eine Rolle. Nach Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung verzeichnen Kliniknotaufnahmen und KV-Bereitschaftsdienst im Freistaat jährlich insgesamt mehr als eine halbe Million Arzt-Patienten-Kontakte.
Nach einem deutlichen Rückgang in der Corona-Pandemie ist das Niveau von 2019 inzwischen wieder erreicht. Dominierte bis dahin die Inanspruchnahme des unter der Telefonnummer 116 117 erreichbaren Bereitschaftsdienstes, liegt der Schwerpunkt inzwischen auf den Kliniknotaufnahmen. Häufig werden sie von Patienten während der Sprechzeiten von Arztpraxen aufgesucht – wenn also eigentlich die Praxen zuständig wären.
Patienten ohne Hausarzt nutzen Notdienst
Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig. Für viele Menschen sei es „schlicht normal“, bei Beschwerden gleich ins Krankenhaus zu gehen, sagte die KV-Vorsitzende Annette Rommel. Nach dem Thüringer Krankenhausgesetz dürften Kliniken Patienten zudem nicht abweisen. Gundula Werner, Geschäftsführerin des Klinikums Altenburger Land und Vorsitzende der Landeskrankenhausgesellschaft, sagt wiederum: „In ländlichen Regionen finden viele keinen Hausarzt – und gehen dann vielleicht gleich in die Notaufnahme.“
Es komme auch vor, dass Praxisärzte ihren Patienten rieten, lieber in die Notaufnahme zu gehen. Auch die Frage, ob es sich in jedem Fall um echte medizinische Notfälle handelt, steht immer wieder im Raum. Werner: „Aus Sicht der Patienten sicher, aus ärztlicher Sicht möglicherweise nicht immer.“
„Inzwischen ist es so, dass Patienten einfach keinen Arzt finden, sich selbst als dringenden Fall einschätzen und dann in die Notaufnahme gehen“, sagte der Sprecher der Thüringen-Kliniken Saalfeld, Stephan Breidt. Oft gehe es dabei um von Hausärzten zu behandelnde Beschwerden. „In der Regel sind das keine Indikationen für eine stationäre Aufnahme.“
Klinikschließungen belasten Notaufnahme Saalfeld
In der Saalfelder Notaufnahme hat sich die Lage dem Sprecher zufolge außerdem massiv verschärft, seit die Krankenhäuser in Schleiz und Neuhaus am Rennweg im vergangenen Jahr geschlossen wurden. Seitdem hätten sich die Fälle in der Notaufnahme verdoppelt. „Vorher waren bis zu 80 Fälle am Tag, jetzt sind es 150“, sagte Breidt. „Das ist nicht mehr stemmbar.“
Auch die KV steht bei der Organisation des kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes vor Problemen. In Thüringen sind aktuell rund 115 Hausarztsitze unbesetzt, damit fehlen auch Ärzte für den Bereitschaftsdienst, der über etwa zwei Dutzend Bereitschaftsdienstzentralen – meist ebenfalls an Krankenhäusern -, Fahrdienste und auch über eine Videosprechstunde abgesichert wird. Die KV diskutiert derzeit, wie er weiterentwickelt werden soll.
Dringend notwendig ist aus Sicht von KV und Landeskrankenhausgesellschaft eine Reform der Notfallversorgung. Die frühere Ampelregierung hatte dazu bereits einen Gesetzentwurf eingebracht. Danach sollten Anlaufstellen in Kliniken eingerichtet werden, in der Patienten je nach Dringlichkeit in die Notaufnahme oder eine Bereitschaftspraxis weitergeleitet werden.