Tourismuswirtschaft: Urlaubsregionen fordern mehr Geld und Anerkennung vom Land

Die Landesregierung will dem Tourismus Priorität einräumen – doch in Niedersachsens Urlaubsregionen sei davon bislang wenig zu spüren, klagt der Fachverband. Dort gibt es eine klare Erwartung.

Trotz vieler Buchungen und voller Ferienorte zum Start der Sommerferien bleibt der Tourismus in Niedersachsen nach Einschätzung von Fachleuten hinter seinen Möglichkeiten zurück. Der Tourismusverband Niedersachsen (TVN) bemängelt eine fehlende Anerkennung der Landesregierung, ausbleibende finanzielle Unterstützung für die touristische Infrastruktur in den Kommunen und vermisst eine Strategie, die den Tourismus etwa mit Klimaschutz, Mobilität und Digitalisierung vernetzt.

„Der Tourismus in Niedersachsen ist noch nicht eine Leitökonomie“, sagt der Vorsitzende des Tourismusverbandes und Landrat von Wittmund, Holger Heymann (SPD), der Deutschen Presse-Agentur. Dabei stehe Niedersachsen als Reiseland hoch im Kurs. „Genauso wie wir ein Pferdeland, Autoland und Energieland sind, sind wir auch ein beliebtes Reiseland. Da reicht aber nicht eine Willensbekundung im Koalitionsvertrag, sondern man muss das mit einer eigenen Strategie des Landes auch unterlegen“, sagt Heymann. 

Im Koalitionsvertrag der Landesregierung haben SPD und Grüne als Ziel ausgegeben, der Tourismus soll „in der Landesentwicklung als eine der Leitökonomien definiert und verankert werden“. Dem Vertrag zufolge soll unter anderem der Binnentourismus gestärkt, eine neue Tourismusstrategie erarbeitet und Tourismuskommunen finanziell besser ausgestattet werden. 

Was der Tourismusverband vorschlägt

Gerade an ausreichendem Geld, etwa für die touristische Infrastruktur, fehle es aber, bemängelt der Tourismusverband. „In zahlreichen Regionen fehlen die Mittel, um touristische Infrastruktur zu erhalten und zukunftsfähig weiterzuentwickeln. Investitionen in Qualität, Barrierefreiheit oder Digitalisierung bleiben daher oftmals aus“, heißt es in einer Stellungnahme des Tourismusverbandes, in dem Fachverbände, touristische Organisationen und Hochschulen zusammengeschlossen sind.

Der Tourismusverband schlägt daher unter anderem vor, die 13 Marketingorganisationen der einzelnen Teilregionen in Niedersachsen, also etwa für die Lüneburger Heide oder das Osnabrücker Land, finanziell zu unterstützen. „Aus meiner Sicht wäre es gut, wenn das Land erkennt, dass die 13 Destinations-Managementorganisationen die neue Tourismusstrategie gut umsetzen können und dafür vom Land einen Obolus erhalten“, sagt Heymann. 

Nach Vorstellung des Verbandes soll das Land dazu den Organisationen einen Sockelbetrag von 100.000 Euro zahlen. Gewichtet nach der Zahl der Übernachtungen soll es weitere Zuschüsse geben. „Dann würden Schwergewichte wie die Nordsee oder die Lüneburger Heide etwas mehr bekommen, aber auch der Harz oder das Osnabrücker Land würden profitieren. Das würde die Kommunen entlasten, und das Land kann gleichzeitig steuern, wie der Tourismus gestaltet werden soll“, sagt Heymann. 

Auch Heilbäder fordern Unterstützung

Insgesamt rechnet der Verband so mit Ausgaben für das Land von vier Millionen Euro pro Jahr. „Das hört sich erstmal viel an. Wenn man das aber ins Verhältnis setzt, dann sind das nur 0,3 Prozent der Steuereinnahmen, die aus dem Bereich des Tourismus erzielt werden“, sagt der TVN-Chef. 

Auch der Heilbäderverband hatte zuletzt mehr finanzielle Unterstützung vom Land gefordert, um die Wettbewerbsfähigkeit von Heilbädern und Kurorten aufrechtzuerhalten. Nach Berechnungen des Verbandes wären dafür 43 Millionen Euro, mindestens aber 38 Millionen Euro nötig. Zugesagt waren durch das Land 2024 aber nur zwei Millionen Euro.

Diese „Sondermittel für prädikatisierte Kommunen“ sind dabei nur ein Teil der bisherigen Tourismusförderung in Niedersachsen, die auf mehreren Säulen beruht. Daneben gibt es laut Wirtschaftsministerium unter anderem auch einzelbetriebliche Förderungen, die Tourismusförderung der Kommunen und die Förderung der touristischen Infrastruktur teils aus Landesmitteln. 

Landesregierung: Neue Tourismusstrategie in Arbeit

Das Wirtschaftsministerium weist auf Anfrage darauf hin, dass bereits an der neuen Tourismusstrategie gearbeitet werde. Ergebnisse soll es 2026 geben. Auch die Tourismusfinanzierung soll weiterentwickelt werden. „Ziel ist es, die Wettbewerbsfähigkeit der Branche zu stärken, ihre Finanzierung langfristig zu sichern und innovative Beteiligungs- und Kooperationsformate zu schaffen“, teilt ein Sprecher von Tourismusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) mit. 

Der Kritik des Tourismusverbandes widerspricht das Ministerium. „Die Landesregierung Niedersachsen erkennt den Tourismus ausdrücklich als Leitökonomie an – sowohl in strategischer Ausrichtung als auch in konkreter Politik“, teilt der Sprecher weiter mit. Der Tourismus leiste nicht nur einen substanziellen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung, sondern auch zur Sicherung von Lebensqualität in Niedersachsen. Die Branche sei daher ein zentraler Bestandteil der strategischen Wirtschafts- und Strukturpolitik.

Fast so viele Übernachtungen wie vor Corona

Die Bruttowertschöpfung im Tourismus in Niedersachsen lag 2019 einer Studie des Beratungsunternehmens DIW Econ bei 13,6 Milliarden Euro. Das entsprach damals knapp 5 Prozent der Wirtschaftsleistung des Bundeslandes. Rund 330.000 Arbeitsplätze waren damals an den Tourismus geknüpft. Neuere Zahlen liegen bislang nicht vor. 

Die Gäste- und Übernachtungszahlen lagen im vergangenen Jahr nur noch minimal unter den Spitzenwerten aus dem Jahr 2019 vor der Corona-Pandemie. In der Tourismusstatistik 2024 wurden 15,4 Millionen Gäste und 46,1 Millionen Übernachtungen verzeichnet. Gemessen an der Zahl der Übernachtungen lag Niedersachsen damit im Ländervergleich 2024 auf Platz vier hinter Bayern, Baden-Württemberg und NRW.

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