Zukunftsressort: Wie baue ich ein Digitalministerium (schnell)?

Ein neues Digitalministerium soll entstehen, um das Land moderner und die Verwaltung effektiver zu machen. Die Bundesregierung sieht darin einen großen Wurf. Wie ist der Stand?

Der Chef ist schon Feuer und Flamme. „Ich erlebe in meinem Ministerium gerade so eine Art Start-Up-Mentalität – vielversprechend im Potenzial, ambitioniert in den Zielen und ein Team, das den Willen und die Bereitschaft hat, etwas zu verändern und zu gestalten“, schwärmte Digitalminister Karsten Wildberger in dieser Woche auf dem Jahrestreffen des CDU-Wirtschaftsrats. Es läuft, sollte das heißen. Das Land kann sich auf meine Truppe freuen.

Deutschland bekommt ein eigenes Digitalministerium. Es ist ein Schritt, den viele seit Jahren fordern – und der fast ebenso lange auf sich warten ließ. Endlich eine gebündelte Kraft für alles, was mit Digitalisierung, Netzinfrastruktur, KI und digitaler Verwaltung zu tun hat. Klingt gut. Klingt modern. Klingt logisch. Doch die Umsetzung kommt in eher deutschen Schritten daher.

Erst mal in die WG mit dem Innenministerium

Statt, sagen wir, in einen futuristischen Glasbau zwischen Cube und John-F.-Kennedy-Haus zieht das neue Ministerium – unter der Leitung des politischen Quereinsteigers Wildberger – zunächst in ein bestehendes Gebäude des Bundesinnenministeriums am Berliner Salzufer ein. Ein Büroklotz, keine architektonische Weltsensation. Aber hey: Man muss klein anfangen. Immerhin – langfristig könnte ein eigenes Gebäude folgen.

Mitarbeiter in der ersten Woche erreichen? Nicht so einfach. Manche E-Mail-Adressen sind noch nicht eingerichtet, der eine oder andere Link führte in den ersten Tagen ins Nichts. Immerhin: Laut Philipp Amthor, der als Wildbergers neuer Staatssekretär für Digitales und Staatsmodernisierung fungiert, soll in der neuen Behörde ein Faxgeräte-Verbot gelten. „Wir hatten erst gar keine – und wir beabsichtigen auch keine einzuführen“, sagte Amthor im stern-Podcast „5-Minuten-Talk“. Symbolpolitik? Vielleicht. Aber mal ein Anfang.

Wie gründet man eigentlich ein Ministerium?

Ein neues Bundesministerium wird nicht einfach mit einem großen roten Knopf gestartet. Der formale Start erfolgt durch einen sogenannten Organisationserlass des Bundeskanzlers. In diesem wird festgelegt, welche Aufgaben das neue Haus übernimmt – und welche Zuständigkeiten dafür aus bestehenden Ministerien herausgelöst werden müssen.

Was danach passiert, ist organisatorische Feinarbeit: Fachreferate werden neu zugeordnet, IT-Systeme angepasst, Stellen verlagert. Vieles, was bisher etwa im Innen-, Wirtschafts- oder Verkehrsministerium in Sachen Digitalisierung geschah, wandert nun zum neuen Digitalministerium. Das bedeutet: Auch das Personal zieht mit – teilweise per interner Versetzung, teilweise durch neue Stellenausschreibungen. Das Bundesverwaltungsamt hilft dabei, den Apparat aufzustellen. So wird aus leerem Papier langsam ein funktionierendes Ministerium.

Das Digitalministerium ist erstmal in ein Gebäude des Innenministeriums in Berlin gezogen
© Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung

Aber natürlich: Die ersten Monate sind eher Baustelle als Betriebsalltag. Räume, Prozesse, Zuständigkeiten – alles muss sich finden. Ganz zu schweigen von der eigentlichen Arbeit.

Was das Ministerium können soll – und was nicht

„Das ‚Made in Germany‘ hat uns lange erfolgreich gemacht, hat uns Wohlstand und Wachstum gebracht. Und ich bin überzeugt: Ein digitales next Germany kann wieder ein solches Potenzial und eine solche Kraft entfalten“, sagte Minister Wildberger beim CDU-Wirtschaftsrat. Wie viel Power hat sein Haus?

Mit zu erwartenden 753 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bleibt das Bundesministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung im Vergleich zu anderen Häusern eher schlank – auch, weil es im Rahmen des Bürokratieabbaus entsteht. Die Idee dahinter: agiler, schneller, flexibler. Statt digitaler Kakofonie über mehrere Ressorts hinweg soll nun ein Haus koordinieren, bündeln, vorantreiben.

Experten sehen den größten Vorteil darin, dass sich mit Wildberger nun jemand um die Digitalisierung kümmert, der auch wirklich Lust auf das Thema hat und Ahnung mitbringt. Das größte Problem sei bisher gewesen, dass weder Minister noch Personal überhaupt digitalaffin gewesen seien – auch ein Friedrich Merz sei das nicht. Doch die Bündelung unter dem Quereinsteiger von Saturn bringt nicht nur Chancen, sondern auch politische Sprengkraft.

Denn viele Digitalthemen liegen bisher bei anderen Ressorts. Diese Kompetenzen zu bündeln, bedeutet auch: Machtverlagerung. Und damit beginnt der klassische Berliner Kompetenz-Tango. Wer gibt was ab? Wer will Einfluss behalten? Und wie viel Autorität bekommt ein kleines, neues Ministerium wirklich, um – wie Wildberger es ausdrückt – das „digitale next Germany“ zu gestalten? 

Futurismus trifft Föderalismus

Ein weiteres Problem: Selbst wenn das Ministerium visionär denkt, sind die eigentlichen Entscheidungen oft zäh. Zwischen Ländern, Kommunen und Bundesbehörden herrscht in Digitalfragen häufig Uneinigkeit. Die Folge: Projekte versanden, Schnittstellen fehlen, Daten fließen wie Honig – langsam und klebrig. Die große Gefahr ist also, dass das Ministerium viel will, aber wenig durchsetzen kann.

Bereits jetzt kommt Kritik aus verschiedenen Ecken. Manche sehen im neuen Haus vor allem ein Symbol ohne echte Macht. Andere beklagen, dass durch das Herauslösen von Digitalthemen aus anderen Ressorts neue Reibungsverluste entstehen könnten. Und wieder andere fragen: Warum erst jetzt?

Tatsächlich bleibt die Gretchenfrage: Ist das neue Bundesdigitalministerium ein mutiger Schritt in die digitale Zukunft – oder ein politisches Feigenblatt, das digitale Versäumnisse der letzten Jahrzehnte kaschieren soll?

Der Start ist gemacht. Und auch wenn das Gebäude noch nicht futuristisch ist und der erste Minister nicht von einem Roboter beraten wird, ist es gut, dass Digitalisierung nun eine klare Adresse bekommt. Ob das reicht, um Deutschland digital nach vorn zu bringen? Die Antwort kennt (noch) nicht mal die KI.

Vielleicht gefällt Ihnen auch